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Nordfrieslandlexikon
Tönning

Tönning (fries.: Taning) Die Stadt mit den Ortsteilen Kating und Olversum liegt im Südosten der Halbinsel Eiderstedt an der Eider. Die Entfernung nach Friedrichstadt beträgt rund zwölf Kilometer in östlicher Richtung, nach Husum rund 20 Kilometer in nordöstlicher Richtung. Tunnighen hæret wurde um 1187 erstmals urkundlich erwähnt. Die Bedeutung des Ortsnamens ist ungeklärt. Vielleicht hängt er mit dem mittelniederdeutschen Wort tun zusammen, das Zaun bedeutet.

Im 16. Jahrhundert wurde Tönning Nebenresidenz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf. 1581–83 ließ der Gottorfer Herzog Adolf (1526–1586) ein Schloss errichten. Es existierte bis 1735, erhalten ist noch ein Großteil des Grabens. In einem kleinen Park steht das Denkmal für den Chirurgen Friedrich von Esmarch (1823–1908). Im südlichen Bereich des Schlossgartens befindet sich die „Waschkuhle“. Der kleine Teich diente Haushalten ohne eigene Zisterne wie auch den durchfahrenden Seeleuten auch zur Versorgung mit Trinkwasser.

1590 erhielt der Ort die Stadtrechte. Damit sind Tönning und Garding die ältesten Städte in Nordfriesland. Ab etwa 1630 war die Stadt ständiger Tagungsplatz für die Eiderstedter Landesversammlung. Niederländische Einwanderer brachten verbesserte Formen des Getreideanbaus sowie die Milch- und Käsewirtschaft nach Eiderstedt. 1613 ließ Herzog Johann Adolf (1575–1616) den Hafen in seiner jetzigen Form anlegen. Mit niederländischer Hilfe entstanden die Bootfahrten, um in Ermangelung geeigneter Wege die Waren auf dem Wasser zu transportieren. Jährlich wurden etwa 300.000 bis 400.000 Pfund Käse umgeschlagen, 1624 fuhren 54 Schiffe unter Tönninger Flagge.

Die Blütezeit endete mit dem Dreißigjährigen Krieg. Kaiserliche Truppen besetzten 1627 die Stadt und zerstörten viele Häuser. 1644 bauten die Herzöge Tönning zur Festung aus. 1700 wurde sie durch dänische Truppen bombardiert, die Stadt weitgehend zerstört. Erst mit der Eröffnung des Eiderkanals erlebte sie ab 1784 eine zweite Blüte, vor allem während der napoleonischen Kriege, als der Handel mit Hamburg über den Tönninger Hafen lief.

Im 19. Jahrhundert stand der Export von Fleischrindern nach England im Mittelpunkt. Mit Ausbruch der Maul- und Klauenseuche 1889 und dem Bau des Nord-Ostseekanals 1895 endete die Bedeutung als Ausfuhrhafen. Für die Krabbenfischerei spielt er nach wie vor eine Rolle. Von den großen Zeiten zeugen noch immer das Packhaus von 1783, das 1625 als „Gasthaus für Fahrensleute“ gebaute „Schifferhaus“ und die bürgerlichen Traufen- und Giebelhäuser aus dem 18. Jahrhundert. Im Schifferhaus betrieb zu Beginn des 19. Jahrhunderts Hinrich Braren (1751–1826) eine angesehene Navigationsschule. 1884 wurde die Wasserbauinspektion gegründet. Als Bundesbehörde ist sie heute für die gesamte schleswig-holsteinische Westküste zuständig und beschäftigt als größter Arbeitgeber der Stadt rund 2.000 Menschen. Ab 1889 wuchs die Schiffswerft Schömer & Jensen zum größten Wirtschaftsbetrieb mit bis zu 1.600 Beschäftigten. Bis 1968 betrieb die kleinere Dawartz-Werft Schiffbau für Holzkutter. Die auffallend großen Gebäude am Eiderufer wurden 1936 als Seefliegerhorst erbaut. Der Stützpunkt diente zur Wartung und Versorgung der Seefliegerverbände, Kampfflugzeuge waren nicht stationiert. Die zugehörige Kaserne wurde 2005 abgerissen. Dafür entstand ein Campingplatz mit 250 Stellplätzen.
Die Ursprünge der Backsteinkirche Sankt Laurentius gehen bis in das frühe 12. Jahrhundert zurück. Beim Wiederaufbau nach der Belagerung von 1700 erhielt die Kirche bis 1706 ihren heutigen 62 Meter hohen, aber zierlichen Turm mit gotischem Unterbau und dreifach gestuftem Helm.

Von 1867 bis zur Kreisreform 1970 war Tönning Kreisstadt von Eiderstedt. Heute leben rund 4.900 Einwohner (2015) auf einer Fläche von rund 4.441 Hektar. Einige landwirtschaftliche Betriebe nutzen eine Fläche von 1.657 Hektar. Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens in dem Bade- und Luftkurort steht der Fremdenverkehr. Ein Badestrand sowie ein Meerwasser-Freibad sollen Gäste locken, das Multimar Wattforum bietet Lehrreiches und Unterhaltsames über Nordsee, nordfriesisches Wattenmeer und Nationalpark. Neben Gastronomie und Tourismus bieten einige Behörden und Institutionen weitere Arbeitsplätze. Dazu gehören z. B. das Nationalparkamt mit der Nationalpark Service GmbH, das Wasser- und Schifffahrtsamt, die Projektgesellschaft Westküste und das Krankenhaus. Für den Nachwuchs stehen die Grund- und Hauptschule am Ostertor, eine Realschule, eine Dänische Schule, die Martje-Flohrs-Förderschule sowie ein Städtischer, ein ADS- und ein Dänischer Kindergarten zur Verfügung. Rund 100 Vereine prägen das gesellschaftliche Leben in der Kleinstadt mit. Ab Januar 2010 bildet die Stadt eine Verwaltungsgemeinschaft mit dem Amt Eiderstedt.

375 Jahre Stadt Tönning 1965, Mitteilungsblatt 1981 ff., Panten/Porada/Steensen 2013, Tönning im Wandel 1990, Schleswig-Holstein Topographie 2007.