Personennamen Gönke, Keike, Kreske für Mädchen, Brar, Hark, Melf für Jungen – das sind typisch nordfriesische Rufnamen. Sie erfreuen sich seit einiger Zeit wieder größerer Beliebtheit.
Viele traditionelle nordfriesische Namen zeichnen sich durch ihre Kürze aus, männlich z. B. Boye, Gonne, Pay, weiblich Anke, Elke, Gesche. Wie die Nordgermanen, so verwandten auch die Friesen Verwandtschaftsbezeichnungen als Rufnamen, vor allem Broder (auf Föhr: Brar), Sönke oder Süster.
Überall in Nordfriesland herrschte bis etwa 1800 die patronymische Namengebung vor. Diese ging vom Vornamen des Vaters aus und erweiterte ihn um -sen oder um die Genitivendungen -s, -en, -ens. Bekam also z. B. ein Broder Feddersen einen Sohn und nannte ihn Pay, so hieß dieser Pay Brodersen (= Broders Sohn). Bei Ehefrauen und Töchtern wurde meist die Genitivendung -s verwendet: Broder Feddersens Tochter namens Gyde hieß Gyde Broders. Heiratete sie einen Ketel Nahnsen, so hieß sie Gyde Ketels.
Auf den Inseln Amrum, Föhr und Sylt ist die Bildung des Familiennamens mit -sen seltener. Hier wurde der Vorname des Vaters auch für männliche Nachkommen zumeist in die Genitivform gebracht, entweder mit -s oder -en. So entstanden Familiennamen, die es nur auf den nordfriesischen Inseln gibt, z. B. Jannen und Martinen auf Amrum, Arfsten, Braren, Riewerts, Roeloffs auf Föhr, Bleicken und Schwennen auf Sylt. In Eiderstedt enden besonders viele Namen mit -s und -ens, z. B. Alberts, Carstens, Hamkens, Ketels, Peters.
Die Familiennamen änderten sich also früher von Generation zu Generation. 1771 wurden für das Herzogtum Schleswig feste Nachnamen eingeführt. Auch nach der Namensreform blieben viele Familien und die das Kirchenbuch führenden Pastoren noch für Jahrzehnte bei der alten Regelung. Im Dorf reichte der Vorname zur Identifizierung der Personen meistens aus, zumal gegebenenfalls z. B. berufsbezogene Zusatznamen mitbenutzt wurden.
Elke Roeloffs (1938–2016) aus Süderende auf Föhr berichtete aus ihrer Familie: „Bei unseren Verwandten in München war ein kleiner Junge geboren worden. Florian Danklef sollte er heißen, darüber waren sich Vater (bayrisch) und Mutter (föhringisch) schnell einig. Aber sie hatten nicht mit dem Standesamt gerechnet. Florian, da war nichts im Wege. So heißt in Bayern jeder zweite Junge, der nicht gerade Joseph, Xaver oder Maximilian heißt. Aber Danklef, davon wollte der Mann auf dem Standesamt nichts wissen. So einen zusammengesponnenen Namen gäbe es nicht, basta! Nun kam ein Notruf aus München: Der Kirchenvorstand möge doch bescheinigen, dass Danklef auf Föhr ein richtiger Name sei. Das Schreiben wurde aufgesetzt und vom Pastor in Süderende unterschrieben und abgestempelt. Darunter schrieb Riewert noch: ‚P. S. Einige Namen von meinen nächsten Verwandten sind Erk, Ingken, Ehlen, Hark, Brar, Tattje, Kreske, Wögen, Ocke, Thurke, Nanning, Keike, Boy, Nahmen, Oluf ...‘ Acht Tage später erhielten wir einen Brief aus München: ‚Vielen Dank für Euer Schreiben. Unser Sohn heißt jetzt Florian Danklef ...‘ Der Mann auf dem Standesamt hatte das Schreiben gelesen, laut gelacht und den Brief zu den Akten gelegt. Er war mit Danklef zufrieden gewesen und hatte gemeint, es hätte ja noch viel schlimmer kommen können.“
E. Roeloffs 1994.