Deichgraf (fer.: dikföögels; frasch: dikgroow; sölr.: Dikgraav; wied.: dikgroof) Das Aufsichtsamt im Deichwesen wurde in Nordfriesland um 1600 eingerichtet in der Erkenntnis, dass eine geregelte Deichpflege nicht ohne eine kompetente Aufsicht möglich war. Der Deichgraf war dem als Oberdeichgraf fungierenden örtlichen Vertreter der Landesherrschaft verantwortlich und sicherte so deren Einfluss auf die Deichverwaltung. Mit der Ernennung des niederländischen Deichbaumeisters Johann Claussen Rollwagen (1563/64–1623/24) durch Herzog Johann Adolf von Gottorf (1575–1616) wurde 1609 das Amt des Generaldeichgrafen eingeführt. Der Deichgraf war zuständig für den Deichbau und die damit verbundenen Geschäfte wie z. B. die Finanzierung und den Grunderwerb, aber auch für die Deichunterhaltung nebst allen notfalls erforderlichen Straf- und Zwangsmaßnahmen gegen die säumigen Deichpflichtigen. Ihm unterstanden die Deichgeschworenen, der Deichrichter und ein Deichbaumeister. Für eine fachmännische Beaufsichtigung der Deich- und Uferschutzarbeiten wurde ihm ab 1803 ein ausgebildeter Deichinspektor zur Seite gestellt. Seit 1971, als die Seedeiche in die Zuständigkeit des Landes Schleswig-Holstein übergingen, ist der Deichgraf als Vorsteher seines jeweiligen Deich- und Sielverbandes bei der Neuplanung von Schutzdeichen anzuhören und an der Deichschau sowie der Gefahrenabwehr zu beteiligen. Bei einer Sturmflut z. B. ist er als Deichläufer unterwegs und beobachtet den Zustand des Seedeiches. Seine Hauptzuständigkeit bezieht sich seither aber auf die zweite Deichlinie und auf die Lösung der Entwässerungsprobleme im Verbandsgebiet. In Ausnahmefällen können ihm auch polizeiliche Aufgaben übertragen werden. In Gestalt des Hauke Haien hat Theodor Storm (1817–1888) in seiner Novelle „Der Schimmelreiter“ dem Amt auch zu literarischem Ruhm verholfen.
Kramer 1989, Kühn 1992, Müller/Fischer 1938.