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Nordfrieslandlexikon
Boßeln

Boßeln (frasch: boosele; sölr.: buseli; wied.: boosle) ist eine Wurfsportart, die vor allem in Nord- und Ostfriesland sowie in Dithmarschen und Oldenburg, aber auch in den Niederlanden (Klootschießen), Italien und Irland ausgeübt wird. Ihre Anfänge lassen sich in den meisten Ländern bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Ein altes Schriftstück zum Boßeln stammt aus dem Jahr 1757. Darin fordert der Lehnsmann von Poppenbüll in Eiderstedt die Eisboßelwerfer aus dem Altaugustenkoog zu einem Revanche-Kampf. Zur ersten Vereinsgründung in Schleswig-Holstein kam es 1886, als sich der Boßelverein Heverbund, ein Zusammenschluss der Boßler aus Oster- und Westerhever sowie aus Poppenbüll und Augustenkoog, bildete. Weitere Hochburgen liegen ebenfalls in Eiderstedt und in der Umgebung von Husum. Seit den 1970er-Jahren gibt es auch Frauenboßelvereine. Mehrerer Vereine bilden zusammen Unterverbände, in Nordfriesland den Unterverband Eiderstedt und den Unterverband Norden mit vier Vereinen aus dem Raum Husum. Darüber steht der Landesverband. Seit 1972 finden alle vier Jahre Europameisterschaften statt.

Beim Wettkampf muss die Boßel, eine bleigefüllte Kugel aus Hartgummi oder Hartholz, so weit wie möglich geworfen werden. Die Kugeln unterscheiden sich sowohl regional als auch abhängig von der Disziplin und der Altersklasse in Größe und Gewicht zwischen 300 und 500 Gramm. Bei internationalen Wettkämpfen wird für den Feldkampf die sogenannte Hollandkugel (65 Millimeter Durchmesser, 300 Gramm Gewicht) verwendet.

Die drei typischen Disziplinen sind das Standboßeln sowie das Feld- und das Straßenboßeln. Als Wettkampfstätten dienen gefrorene Felder oder Weiden, Wirtschaftswege oder die Deichverteidigungswege der Nordseedeiche. Jede Region pflegt vor allem ihre eigene Wurftechnik. So benutzen die Ostfriesen ein Sprungbrett, um die Energie des ganzen Körpers in den Wurf zu legen. Die Schleswig-Holsteiner drehen sich ähnlich wie ein Diskuswerfer um ihre Körperachse und erzielen dadurch Weiten bis zu 100 Metern.

Mit dem Boßlergruß „Lüch op!“ beginnt der Wettkampf. Beim Streckenboßeln wird die Kugel von der Stelle weiter geworfen, wo sie nach dem ersten Wurf liegen geblieben ist. Die Strecke zwischen dem Aufschlagpunkt und dem Ruhepunkt nach dem Ausrollen wird „Trüll“ (trüllen = rollen) genannt. Ein „Schott“ (Schuss) erhält man, wenn die gegnerische Mannschaft mit zwei Würfen nicht so weit kommt, wie die eigene Mannschaft mit einem Wurf. Das Standwerfen kann ein Einzel- oder Mannschaftswettbewerb sein. Jeder Teilnehmer hat hierbei eine bestimmte Anzahl von Würfen auf einer festgelegten Wurfbahn von der gleichen Abwurfstelle aus. Die Weiten der Würfe werden zusammengezählt, der Boßler mit der größten Wurfstrecke gewinnt.

Augustin/Johannsen 1978, Alberts u. a. 1988.