Trachten (fer.: dracht; frasch: tråcht; sölr.: Dracht) Ursprünglich wurde als Tracht die von der jeweils herrschenden Konvention vorgeschriebene Kleidung und dazugehörige Aufmachung wie Haar- oder Barttracht verstanden. Heute beschränkt sich der Begriff auf die regional definierten Volkstrachten sowie auf Standes-, Berufs- und Nationaltrachten. Für viele Menschen ist auch heute das Tragen der Tracht eine wichtige Form des Bekenntnisses zu einer regionalen Identität.
Die Volkstracht der ländlichen Bevölkerung entstand zumeist im 18. Jahrhundert als Gegenbild zur bürgerlich-städtischen Mode und als Möglichkeit der Repräsentierung bäuerlichen Wohlstands. Die selbstständigen Bauern in den landwirtschaftlich begünstigten Dörfern hatten so die Gelegenheit, sich von den Nachbarorten abzusondern. Auf diese Weise entwickelten sich bestimmte Trachtenmerkmale weiter. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verringerte sich die Kluft zwischen Stadt und Land, die Bindung zum Land lockerte sich, die ländliche Bevölkerung passte sich mehr und mehr der Industriegesellschaft an, und die Trachtenkultur wurde aufgegeben. Als Wunschbild einer heilen bäuerlichen Welt steht sie heute nur noch bei traditionsstiftenden Trachtenvereinen und -gruppen im Mittelpunkt.
In Nordfriesland gab und gibt es höchst unterschiedliche Trachten für viele kleine und kleinste Regionen. Dies sind zum einen die Trachten der nordfriesischen Inseln, die Sylter, Föhrer, Amrumer, Pellwormer und Nordstrander Tracht, sowie die der Hallig Langeneß. Auf dem Festland unterschieden sich die Trachten der Wiedingharde, der Bökingharde, repräsentiert durch die Trachtengruppen Dagebülls, Niebülls und Risum-Lindholms, der Nordergoesharde mit Schwerpunkten in Bredstedt, Drelsdorf, Langenhorn und Viöl, der Südergoesharde, repräsentiert durch Trachtengruppen in Ostenfeld, Schobüll und Schwabstedt, der Landschaft Stapelholm und insbesondere Friedrichstadts sowie der Landschaft Eiderstedt.
Die Trachten kennzeichnen ihre Träger nach Alter und Stand. Es gibt Mädchen- und Frauentrachten, Knaben- und Männertrachten, Trachten für Verheiratete oder Verwitwete, Fest- und Kirchentrachten. Besonders reich ausgestattet waren die Hochzeitstrachten. Es herrscht die weit verbreitete Vorstellung, dass diese besonderen Kleidungsformen sehr alt sind und seit vielen Generationen über die modische Entwicklung hinaus Bestand haben. Dabei sind authentische Zeugnisse über die Kleidung vergangener Zeiten rar. Ein Blick in die Museen und die Fachliteratur zeigt, dass die heute getragenen Trachten sich teilweise sehr deutlich von dem unterscheiden, was als typische Kleidung aus den letzten Jahrhunderten dokumentiert ist, und dass auch die Volkstracht durchaus modischen Entwicklungen unterworfen war. Gleichwohl gilt die Tracht als Symbol der Tradition. Auf Amrum und Föhr etwa werden viele Mädchen in Tracht konfirmiert, und immer wieder treten Bräute in Tracht vor den Altar. Allein die Tatsache, dass das Anlegen der zahlreichen Bekleidungsteile und der Haube seine angemessene Zeit braucht und in der Regel nur mit der Hilfe einer zweiten Person durchgeführt werden kann, verleiht der Tracht einen zeremoniellen Charakter und macht sie in der Epoche von Jeans und T-Shirt zu etwas Besonderem. Zudem kostet beispielsweise eine vollständige Föhringer Tracht bis zu 3.000 Euro. Diese dunkle Frauentracht mit dem prächtigen silbernen Brustschmuck, wie sie mit leichten Abwandlungen heute auch auf Amrum, Pellworm und den Halligen getragen wird, ist auch außerhalb Nordfrieslands bekannt.
Auf Sylt, auf Nordstrand, in Eiderstedt sowie in der Marsch und auf der Geest des nördlichen nordfriesischen Festlandes hat sich eine bunte Trachtenvielfalt entwickelt. Vor allem engagierte Heimatpflegerinnen haben dabei auch manche Lücke in der Trachtenlandkarte durch Neukreationen gefüllt, die vielfach an historische Vorbilder anklingen. Anregungen finden sich dabei nicht zuletzt in den Werken der nordfriesischen Maler.
Nordfriesischer Verein e. V. (Hrsg.): Trachten in Nordfriesland, o. O. 1995.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wandten sich die Föhrer Frauen einer moderneren Form der traditionellen Bekleidung zu. Dies belegen z. B. die Berichte zweier Besucher der Insel. Während der Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl (1808–1878) im Jahr 1846 in seinem Buch „Die Marschen und Inseln der Herzogthümer Schleswig und Holstein“ noch vermerkte „Die Tracht ist so gänzlich schwarz, daß es einem zuerst vorkommt, als wäre die ganze Insel nur von Nonnen und Klosterfrauen bevölkert“, schrieb der Maler Otto H. Engel (1866–1949), der 1901–05 zu Studienzwecken auf Föhr weilte, in einem Gedenkbuch für seine Kinder: „Die Tracht ist sehr kleidsam und, besonders die Fest- und Sonntagstracht, recht reich durch schöne farbige seidene Schultertücher und Silberschmuck über der Brust und Silberknöpfen an den Ärmeln und Filigranspange am rückwärtigen Schürzenschluß. Der Rock ist aus schwerem dunkelblauem Tuch mit hellblauem Saum, farbige wollene oder weiße Mullschürzen. Um den Kopf ist ein schwarzes wollenes Tuch turbanartig geschlungen, auf das Stickereistreifen gesetzt sind, die über der Stirn erscheinen, und über der Stirn ist das Tuch diademartig hochgestellt, seidene Fransen hängen auf beiden Seiten an den Ohren herunter.“