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Nordfrieslandlexikon
Sturmflut

Sturmflut (fer.: sturemflud; frasch: stormflödj; sölr.: Storemflör; wied.: stoormfluid) Steigt der Wasserstand an den Meeresküsten mehr als einen Meter über den mittleren Tidehochwasserstand (MThw), dann spricht man von einer Sturmflut. Die höchsten Wasserstände an der nordfriesischen Küste erzeugen Stürme aus Süd- oder Nordwest. Man unterscheidet leichte Windfluten (bei einem Wasserstand von ein bis zwei Metern über MThw), schwere Sturmfluten (zwei bis drei Meter über MThw) und sehr schwere Orkanfluten (mehr als drei Meter über MThw).

Überlieferte Katastrophen durch Sturmfluten ereigneten sich erst nach Beginn des Deichbaus im 11./12. Jahrhundert, als Menschen in der flachen Marsch zu siedeln begannen. Besonders verlustreich mit vielen Tausend Toten sollen im Mittelalter die Sturmfluten von 1216 und 1287 (Luciaflut) gewesen sein, wofür allerdings seriöse Belege fehlen. Die bis heute folgenschwerste Flut war die „Marcellusflut“ im Januar 1362, die sogenannte Grote Mandränke. Chroniken sprechen von 100.000 Toten, doch ist diese Zahl stark übertrieben. Die letzte Hochrechnung des Niebüller Quellenforschers Albert Panten (* 1945) von 2012 beläuft sich auf rund 10.000 Tote. In Nordfriesland drang die Flut bis an den Geestrand vor, südöstlich von Pellworm versank der sagenumwobene Ort Rungholt in den Fluten. Im Bereich Alt-Nordstrands sollen 44 Kirchspiele untergegangen sein, die Insel erhielt eine Hufeisenform und Husum einen Zugang zur Nordsee, der den Aufstieg zum Handelsort ermöglichte. Die nächste schwere Sturmflut war die von 1532 (Allerheiligenflut) mit einigen Tausend Toten in Eiderstedt und auf Alt-Nordstrand. In der Kirche von Klixbüll wurde damals eine Höhenmarke angebracht, derzufolge das Wasser einen Höchststand von 4,16 Meter über Normal Null (NN), also fast drei Meter über dem normalen Hochwasserstand, erreicht hatte. Eine weitere, besonders folgenreiche Katastrophe ereilte die nordfriesische Küste im Oktober 1634. Die „zweite Mandränke“ oder „Burchardiflut“ zerstörte große Teile der Insel Alt-Nordstrand. Der Wasserstand erreichte eine Höhe von rund 4,50 Meter über NN, allein in Nordfriesland gab es 6.123 Tote. 1717 forderte die Weihnachtsflut an der niederländischen, deutschen und dänischen Nordseeküste rund 12.000 Tote. Eiderstedt wurde fast vollständig überschwemmt, 54 Menschen verloren hier ihr Leben. Die Februar- oder Halligenflut von 1825 forderte zum letzten Mal in Nordfriesland Menschenopfer vor allem auf den Halligen, wo 74 Personen ertranken und rund 230 ihre völlig zerstörten Häuser und Warften verlassen mussten. Viele siedelten nach Föhr und insbesondere nach Wyk über. Es trat der bis dahin höchste Wasserstand ein, in Husum z. B. 5 Meter und mehr über NN. Die Verluste an Mensch und Vieh waren dennoch nicht so groß wie früher, da die Deiche mittlerweile stärker und höher geworden waren. Im gesamten Küstengebiet von den Niederlanden bis Nordfriesland ertranken damals rund 800 Personen. 1962 (Zweite Julianenflut) brach eine weitere sehr schwere Sturmflut über die Nordseeküste herein und beschädigte rund 400 Kilometer Deichstrecke. Am stärksten war diesmal mit 315 Toten das Hamburger Stadtgebiet betroffen. Wieder wurden neue Hochwasserrekorde verzeichnet, in Tönning z. B. 5,21 Meter über NN. Dem „Generalplan Küstenschutz“ ist es zu verdanken, dass die nächsten schweren Sturmfluten 1976, 1981 („Nordfriesland-Flut“), 1990, 1999 oder 2013 zwar neue Rekordmarken setzten, die Katastrophen aber keine Menschenleben mehr forderten.

Andresen 1976, Egidius 2003, Hinrichsen 1925, Kramer 1989, Kuschert 2007, Meier 2005, Newig/Theede 2000, Panten 2000 u. 2012, Petersen/Rohde 1991.


Die Landvogtei Pellworm registrierte am 22.2.1825 die Familien, die die Halligen verließen:
Hooge: 19 Familien mit 53 Personen
Nordmarsch: 47 Familien mit 94 Personen
Langeneß mit Butwehl: 22 Familien mit 59 Personen
Oland: 3 Familien mit 11 Personen
Gröde: 3 Familien mit 14 Personen

Herausragende Sturmfluten in Nordfriesland


16.1.1219 1. Marcellusflut
14.12.1287 Luciaflut
16./17.1.1362 2. Marcellusflut; „Große Mandränke“
1.11.1436 1. Allerheiligenflut
26.9.1509 Cosmas- und Damianflut
2.11.1532 2. Allerheiligenflut
14.11.1559 Martiniflut
1.–6.11.1570 3. Allerheiligenflut
11.10.1634 Burchardi; „Zweite Mandränke“
24./25.12.1717 Weihnachtsflut
3./4.2.1825 Februarflut; Halligenflut
16./17.2.1962 2. Julianenflut
3.12.1999 Orkan Anatol
28.10.2013 Orkan Christian