Storm-Zentrum Nach dem Tod seiner ersten Frau Constanze 1866 zog Theodor Storm (1817–1888) mit seinen Kindern in das „vortrefflich zurechtgebaute“ Haus in der Wasserreihe 31 in Husum. Die Geschichte des Grundstücks reicht bis ins endende Mittelalter zurück; noch bis 1875 musste Storm die 1472 verhängte „Rebellensteuer“ bezahlen. Das heutige Gebäude wurde um die Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet. Es gehörte einem Branntweinbrenner und repräsentiert den Typ der damaligen Kaufmannshäuser in der Hafenstadt, wie sie Storm mehrfach in seinen Novellen aufscheinen lässt. Er liebte die altbürgerliche und geschichtsträchtige Atmosphäre. Nicht zuletzt erfreute er sich an dem Garten.
Storm verbrachte hier seine längste zusammenhängende Schaffensphase. Doch immer wieder klagte er, seine dichterische Kraft sei zu Ende, seine Fantasie nur noch ein kranker Vogel, der die Schwingen am Boden schleife. Trotz dieser Zweifel und Ängste schrieb er in seinem „Poetenstübchen“ großartige Gedichte und im Lauf von 14 Jahren fast 20 Novellen, darunter einige seiner bekanntesten wie „Pole Poppenspäler“, „Aquis submersus“, „Renate“ und „Die Söhne des Senators“. Von hier aus verschickte er über 1.000 Briefe an Dichterkollegen, Literaturwissenschaftler, Verleger – Zeichen eines reichen geistigen Austausches und heute unerschöpflicher Quell für Storm-Forscher. Familienbriefe zeugen zum Beispiel von seinen Sorgen um seine Kinder, insbesondere seinen ältesten Sohn Hans, den „ganz Verlorenen“, wie er 1871 schrieb. Eine Novelle spielt sogar in dem Haus, in dem sie entstanden ist: In „Viola tricolor“ nimmt Storm intime Probleme seiner eigenen Ehe und Familie auf, nachdem seine zweite Frau Dorothea Jensen, seine ehemalige Geliebte, Stiefmutter der sieben Kinder geworden war. Viola tricolor ist der lateinische Name für Stiefmütterchen. Dorothea brachte hier 1868 Storms achtes Kind zur Welt.
Im Jahre 1880 verließ der Dichter das Haus in der Wasserreihe und ging in die „ländliche Freiheit“ nach Hademarschen. Bauliche Veränderungen wurden seitdem kaum vorgenommen. Als das Gebäude 1969 zum Kauf angeboten wurde, wandte sich die seit 1948 bestehende Theodor-Storm-Gesellschaft mit der Bitte an die Stadt Husum, das Haus zu erwerben, den „Stormverehrern in aller Welt“ ein „Dichterzimmer“ zugänglich zu machen und so „ein einzigartiges Kulturdenkmal der Nachwelt zu erhalten“. 1972 zog die Storm-Gesellschaft mit Sekretariat, Bibliothek und Archiv von ihrem alten Domizil im Nordfriesischen Museum Nissenhaus in die Wasserreihe. Ab 1978 wurde das gesamte Gebäude als Storm-Haus genutzt. Das Storm-Archiv befindet sich seit 2006 im Nachbarhaus. So ist hier ein Zentrum für die Erinnerung an und die Forschung über den Dichter entstanden.
Ursprünglich stammte nur ein einziges Möbelstück in dem Haus aus Storms Besitz: das Tafelklavier, das er zu Weihnachten 1858 in Heiligenstadt von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. Weiteres originales Mobiliar und Inventar wurde zusammengetragen. Heute kann man ganz in Storms Welt eintauchen. Dass in Husum ein Dichter-Museum besteht wie kaum ein zweites in Deutschland, gehört zum Lebenswerk von Karl Ernst Laage (* 1920), dem bekannten Storm-Forscher und Husumer Ehrenbürger.
Laage 1999, 2010, 2015, Steensen 2014.