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Nordfrieslandlexikon
Schloss vor Husum

Schloss vor Husum Etwas nördlich des Marktplatzes der Kreisstadt Husum liegt das „Schloss vor Husum“. Wie der Name andeutet, befand es sich bei seiner Erbauung 1577–82 außerhalb der Stadtmauern. Heute bildet das Areal einen Teil der Innenstadt.

1544 beschlossen König Christian III. von Dänemark (1503–1559) und seine beiden Stiefbrüder Johann der Ältere (1521–1580) und Adolf (1526–1586), die Herrschaft über die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu teilen. Adolf entschied sich für den Gottorfer Anteil und wurde zum Begründer des Gottorfer Herzoghauses. Aus Nordfriesland erhielt er das Amt Husum und die Landschaft Eiderstedt. Die Gottorfer Herzöge griffen nun in fast alle Bereiche des Lebens gestaltend ein. 1558 z. B. erhielt Husum eine feste Marktordnung, 1582 eine eigene Gerichtsbarkeit, 1603 das volle Stadtrecht. In den Jahren 1577–82 entstand im Stil der niederländischen Renaissance das Schloss. An den zweigeschossigen Mittelbau schlossen sich nach Süden und Norden die dreigeschossigen Seitenflügel an. Ein hoher mit Kupfer gedeckter Mittelturm überragte das Fürstenhaus. Später kamen flachere Nebengebäude hinzu, die den Schlosshof umgaben.

Im 17. Jahrhundert wurde das Schloss zum Witwensitz der Herzoginnen Augusta (1580–1639) und Marie Elisabeth (1610–1684), unter welchen es eine kulturelle Blüte erlebte. Zur Zeit Augustas entstanden das Torhaus und die Alabaster- und Sandsteinkamine. Maria Elisabeth widmete ihre ganze Aufmerksamkeit dem geistlichen Leben in ihrem Hause. Eine Gemäldesammlung umfasste bald 600 Bilder. Für die Stadt bedeuteten Schloss und Hofstaat einen nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor. 85 Personen gehörten allein zum Hofstaat.

Nach dem verlorenen Nordischen Krieg (1700–1713) gelangte das Schloss an das Königreich Dänemark. Das Gebäude verfiel, bis König Friedrich V. (1723–1766) sich 1748 zu einer neuen Nutzung entschloss. Nach großen Umbaumaßnahmen, denen u. a. die seitlichen Türme zum Opfer fielen, nahm das Schloss 1752 die Verwaltung des Amtes Husum auf. Der Hauptturm musste wegen Vernachlässigung 1792 weitgehend abgetragen werden.

Nach dem Übergang der Herzogtümer in den preußischen Staat 1864 wurde die Amtsverwaltung zur Kreisverwaltung umgebildet. 1918 kaufte der Kreis Husum das Schloss, auch das Amtsgericht bezog dort seine Räume. Der Verwaltungsapparat weitete sich aus und beanspruchte bald das ganze Haus. Nach dem Zusammenschluss der Kreise Eiderstedt, Husum und Südtondern zum Kreis Nordfriesland mit Sitz in Husum bezog die Kreisverwaltung 1972 ein neues Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Viehmarkts. Das Schloss wurde renoviert und weitgehend in den barocken Zustand von 1752 zurückversetzt. Der Mittelturm erhielt seine Haube zurück. Die im Schloss geborene Schriftstellerin Franziska zu Reventlow (1871–1918) setzte in ihrem Roman „Ellen Olestjerne“ dem Haus, das sie „Nevershuus“ nennt, ein Denkmal.

Besonderes Interesse verdient das 1612 erbaute Torhaus zum Schlossbezirk direkt an der Schlossstraße. Das zweigeschossige Bauwerk mit Schweifwerkgiebeln der Spätrenaissance ist das einzige vollständig erhaltene Gebäude der alten Schlossanlage. Als Tordurchfahrt diente auch ein sandsteinernes Portal mit Doppelpilastern an den Seiten und dem Wappen der Herzogin Augusta als Bekrönung. Neben dem Wappen finden sich Figuren antiker Göttinnen.

Heute beherbergt das Schloss vor Husum ein Museum, das vor allem die alten königlichen Repräsentationsräume zeigt, die Musikschule des Kreises und ein Café. Sehenswert sind die großen Prachtkamine von Henni Heidtrider (um 1580–zwischen 1641 und 1656) aus dem frühen 17. Jahrhundert sowie Reste der herzoglichen Gemäldesammlung und Originalmöbel. 1988 wurde die Schlosskapelle in ihren ursprünglichen Zustand versetzt.

Das Schloss bildet heute einen Teil des Museumsverbundes Nordfriesland. Es beherbergt das Poppenspäler-Museum und die Kreismusikschule. Im Dachgeschoss wird zeitgenössische Kunst gezeigt, die Räume des ehemaligen Küchentrakts nutzt das Schloss-Café. Im 19. Jahrhundert befand sich hier das Gefängnis des Amtsgerichtes.

Überregional bekannt ist die alljährliche Krokusblüte im Schlosspark, wenn im März/April mehrere Millionen Pflanzen der Art Crocus neapolitanus das Gelände in ein lila Blütenmeer verwandeln.

Kunz 2010, Steensen 2014.