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Nordfrieslandlexikon
Rüm Hart, klaar Kiming!

Rüm Hart, klaar Kiming! „Was heißt: Rüm Hart, klar Kimmang?“ Diese Frage stellte der Philosoph und Journalist Friedrich Engels (1820–1895) seinem Kollegen und Freund Karl Marx (1818–1883) in einem Brief vom 2. November 1864. Engels hatte das Herzogtum Schleswig bereist und war vom Selbstbewusstsein der Friesen an der Westküste beeindruckt. Die Antwort hätte lauten müssen: „Weites Herz, klarer Horizont!“ Das Wort wird den welterfahrenen inselfriesischen Kapitänen zugeschrieben.

Zeit und konkrete Gelegenheit seiner Entstehung sind unbekannt. Zum viel zitierten Allgemeingut wurde er wohl vom 19. Jahrhundert an. Die in einem „weiten Herzen“ beheimatete Verbindung zwischen Toleranz und menschlicher Souveränität mit einem wachen Verstand und der Orientierung an eindeutigen Maßstäben, die sich in dem „klaren Horizont“ symbolisieren, passt gut zu den Seefahrern, die in alter Zeit auf der Insel den Ton angaben. Das Wort bildet den Sylter Wappenspruch. Der Chronist Christian Peter Hansen (1803–1879) benutzte es zur Charakterisierung des Sylter Friesen Uwe Jens Lornsen (1793–1838): „Es galt von ihm, was der alte nordfriesische Wahl- und Trinkspruch sagte: er hatte ,rüm Hart, klar Kimming‘, d. i. ein weites, menschenfreundliches Herz, einen ausgedehnten, vorurtheilsfreien Gesichtskreis.“

Den Wahlspruch der Nordfriesen findet man häufig als Bezeichnung von z. B. Pensionen, Booten oder Schiffen, auch bei der Wyker Dampfschiffs-Reederei. Der Text eines friesisches Liedes mit dem Titel „Rüm Hart, klaar Kiming“ stammt von Jürgen Martens (1852–1931).

Nicht selten wurde bei Trauerfeierlichkeiten auf Föhr der letzte Vers des Gedichts von Jürgen Martens gesungen:

As’t ens mä mi föörbi,
komt at tu skialen,
leew frinj, dan lööwe mi,
eg föl tu skrialen.
Bring mi troch lun an hääf
hen tu min fering grääf,
hual mi det likpretjei:
Rüm hart, klaar kiming!


Ist es einmal mit mir vorbei,
kommt es zum Scheiden,
lieber Freund, dann gelobe mir,
nicht viel zu weinen.
Bring mich durch Land und Watt
hin zu meinem Föhrer Grab,
halt’ mir die Leichenpredigt:
Weites Herz, klarer Horizont!