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Nordfrieslandlexikon
Ostfriesland

Ostfriesland (niederdt.: Oostfreesland) ist eine Region im Nordwesten Niedersachsens. Sie besteht aus den Landkreisen Aurich, Leer und Wittmund sowie der kreisfreien Stadt Emden und zählt rund 465.000 Einwohner. Ostfriesland liegt an der Küste der Nordsee und umfasst neben dem Festland auch die Ostfriesischen Inseln Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog und Spiekeroog.
Die Region war über Jahrhunderte durch Landwirtschaft, Fischerei und Handel geprägt. Dazu zählte in den Hafenstädten insbesondere der Seehandel. Deichbau und Melioration machten die landwirtschaftliche Nutzung weiter Teile der Marsch und der Moore erst möglich. Inzwischen erlangten der Fremdenverkehr, vor allem auf den Inseln und in vielen Küstenorten, sowie einige industrielle Kerne hohe Bedeutung für die regionale Wirtschaft. Dennoch nimmt die Landwirtschaft auch weiterhin eine starke Stellung ein. Trotz wirtschaftlicher Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten gilt Ostfriesland als strukturschwache Region mit einer großen Abhängigkeit von einigen wenigen Branchen und einer kleinen Zahl größerer Unternehmen.

Eine durch die Jahrhunderte währende relative Isolation durch große Moore im Süden verhalf der Region zu einer teilweise recht eigenständigen Entwicklung. Auch enge Verbindungen zu den Niederlanden trugen dazu bei. Dies zeigt sich noch heute in kulturellen Belangen oder im politischen Raum, z. B. bei Bemühungen, ostfrieslandweite Institutionen zu erhalten und nicht mit Institutionen außerhalb Ostfrieslands zu verschmelzen. Der Landstrich gilt als eine der Hochburgen der niederdeutschen Sprache, schätzungsweise 50 Prozent der Einwohner sprechen noch ostfriesisches Platt, eine nordniedersächsische Variante des Niederdeutschen.

Ostfriesland gehört heute zu den wenigen noch relativ intakten Sprachgebieten des Niederdeutschen, gilt aber auch als dialektales Rückzugsgebiet. Die Zweisprachigkeit wird von der Ostfriesischen Landschaft gefördert, z. B. durch Hilfe bei der zweisprachigen Unterrichtung in Kindergärten und Grundschulen durch das Plattdütskbüro. Auch Vereine wie Oostfreeske Taal (Ostfriesische Sprache) sind auf diesem Gebiet aktiv, zudem geben regionale Verlage Bücher auf Plattdeutsch heraus. In Zeitungen und Zeitschriften erscheinen regelmäßig Artikel auf Plattdeutsch, seit 1992 gibt es die Zeitschrift „Diesel“, die vollständig in ostfriesischem Plattdeutsch erscheint und neben Unterhaltung und Kulturnachrichten moderne Lyrik und Prosa veröffentlicht.

Seit 2004 dürfen einige Gemeinden und Städte zweisprachige Ortsschilder aufstellen, u. a. die Städte Aurich (Auerk) und Norderney (Nörderneei) sowie die Gemeinden Großheide (Grootheid), Wirdum (Wir’m) und Lütetsburg (Lütsbörg). In weiten Gebieten haben sich allerdings die plattdeutschen Ortsnamen erhalten wie etwa Möhlenwarf, Moorhusen, Suurhusen oder Rechtsupweg.

Die ursprüngliche Volkssprache in Ostfriesland war nicht das Niederdeutsche, sondern die zum Friesischen gehörende Ostfriesische Sprache. Sie wurde zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert durch das Niederdeutsche ersetzt. Mit der Reformation kamen die hochdeutsche Sprache und besonders im calvinistischen Westen Ostfrieslands auch das Niederländische ins Land. Im späten 19. Jahrhundert hielt die deutsche Sprache auch in den calvinistischen Gemeinden Einzug. Spätestens in dieser Zeit gerieten auch die abgelegensten Gebiete Ostfrieslands unter hochdeutschen Einfluss, und der zweite Sprachwechsel der Ostfriesen, vom Niederdeutschen zum Standarddeutschen, begann.

Durch diese bewegte Sprachgeschichte hebt sich das Ostfriesische Platt in der Aussprache wie im Wortschatz von den Nachbardialekten ab. Das Friesische und das Niederländische haben ihre Spuren hinterlassen, aber auch der niederdeutsche Kern der Sprache gilt als relativ konservativ. Durch seine isolierte Lage bewahrt das ostfriesische Niederdeutsch manche alte niederdeutsche Wörter wie fuul (schmutzig), Penn (Schreib-Feder), quaad (böse); es enthält außerdem noch eine Anzahl friesischer Wörter und Formen wie die Personalpronomen hör (sie) und hum (ihn/ihm) sowie Bezeichnungen wie etwa Gulf (Scheunenteil), Heff (Wattenmeer) oder Jier (Jauche). Besonders im westlichen Teil nahm es eine Reihe niederländischer Wörter auf wie z. B. Bahntje (Anstellung, Posten), Patries (Rebhuhn) oder Ühr (Stunde).

Die alte Ostfriesische Sprache hat sich nur außerhalb Ostfrieslands erhalten. Im jahrhundertelang schwer zugänglichen Saterland sprechen bis heute etwa 2.000 Menschen Saterfriesisch. Im Gegensatz zu den Groninger Ommelanden, wo der Verlust der ostfriesischen Sprache auch zu einem Verlust der friesischen Identität führte, ist das friesische Selbstbewusstsein in Ostfriesland nach wie vor stark ausgeprägt und nicht so stark mit der Regionalsprache verknüpft wie in Nord- und Westfriesland.

Nordfriisk Instituut.