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Nordfrieslandlexikon
Oktroi

Oktroi (lat.: auctoritas = Ermächtigung, Einfluss, Eigentumsrecht). Bei einem Oktroi handelte es sich um von der Obrigkeit gewährte Vergünstigungen oder Bevorrechtigungen, in vielen Fällen um Deichbaugenehmigungen mit anschließender zeitlich begrenzter Steuerbefreiung und anderen Vorrechten. Da der Deichbau noch bis in die Neuzeit hinein eine äußerst riskante Angelegenheit mit oft ungewissem Ausgang war, scheuten die Landesherren als Besitzer des deichreifen Vorlandes das finanzielle Risiko einer Eindeichung. Andererseits lockten aber Einnahmen durch Verkauf oder Verpachtung des neuen Landes sowie durch Besteuerung der neuen Siedler. Um diesem Dilemma aus dem Wege zu gehen, wurde die Bedeichung an kapitalkräftige Interessenten vergeben und ihnen als Risikoausgleich ein Oktroi erteilt. Nach der Sturmflut von 1634 entstanden 22 „oktroyierte Köge“, deren rechtlicher Status fast dem einer selbstständigen Republik gleich kam. 1853 wurden sie – mit Ausnahme der fünf Köge auf Nordstrand, aus denen die Nordstranderharde gebildet wurde – der Gerichtsbarkeit der jeweils angrenzenden Harden unterworfen.

Im Allgemeinen ging es um Vorteile wie eigene Verwaltung und eigene Gerichtsbarkeit in bürgerlichen und strafrechtlichen Angelegenheiten, Steuer-, Zoll- und Lastenfreiheit für meist mehr als zehn Jahre, bei Deichbruch Verlängerung der Freijahre bis zur Wiederherstellung des Deiches, Befreiung von allen Auflagen in Kriegs- und Friedenszeiten (Einquartierung, Lieferung von Naturalien), Eigentumsrecht am Anwachs vor dem neuen Deich, Organisation von Kirchen- und Schulwesen nach eigenem Ermessen, Erlaubnis zum Betrieb von Wirtschaften, Brauereien und Windmühlen und um die Fischerei- und Jagdhoheit. Die Versammlung der Interessenten bildete eine Regierung mit dem Deichgraf an der Spitze, ein Koogsinspektor war das ausführende Organ.

Allemeyer 2006 u. 2009, Jessen 1993, Kunz/Panten 1999.