Kühl, Thusnelda * 14.8.1872 Kollmar † 24.7.1935 Rendsburg, Schriftstellerin. Die Tochter eines Pastors erlebte zwischen dem vierten und zehnten Lebensjahr ihre Kindheit in Oldenswort. Nach einer Ausbildung am Lehrerinnenseminar in Augustenburg auf Alsen und einigen Wanderjahren kehrte sie als 24-Jährige zurück. Die folgenden sechs Jahre als Lehrerin in Oldenswort – mit einer mehrmonatigen Unterbrechung in Bournemouth/Südengland, Kopenhagen und Dresden – bezeichnete sie als ihre schönsten. Bis 1903, dem Eintritt des Vaters in den Ruhestand, erschienen ihre ersten erfolgreichen Werke, darunter „Am grauen Strand, am grauen Meer“ (1900).
Kühl nutzte die familiäre Veränderung, um ihre Stelle zu kündigen und sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie zog mit den Eltern nach Meldorf und erlebte mit der Eiderstedt-Trilogie „Der Lehnsmann von Brösum“ (1904), „Um Ellwurth“ (1905) und „Die Leute von Effkebüll“ (1905) ihren schriftstellerischen Durchbruch und Höhepunkt. 1905 heiratete sie den Schulrektor Julius Petersen aus Fahretoft und folgte ihm auf die schleswig-holsteinische Geest nach Nortorf bei Rendsburg. Bis 1915 erschienen weitere Romane, Erzählungen und Novellen, doch ließ die schriftstellerische Aktivität mit dem Wegzug aus der Heimat und der Geburt ihrer beiden Kinder deutlich nach.
Ihr Talent führte Thusnelda Kühl auf ihre Mutter Wilhelmine, geb. von Oldenburg (1848–1912) zurück, deren hoch- und plattdeutsche Erzählungen von verschiedenen Zeitungen gedruckt wurden. Am stärksten beeinflusst fühlte sie sich von den Dichtern und Erzählern Theodor Storm (1817–1888) und Wilhelm Raabe (1831–1910), den sie um 1900 persönlich in Braunschweig kennenlernte.
Obwohl sie „an manchem Ort des deutschen Vaterlandes war, an englischen Kaminen saß und oft in Dänemarks munterer Hauptstadt weilte“, hatte sie immer nur das Bedürfnis, über Nordfriesland zu schreiben, „über meine friesische Heimat, ihre stolze, ruhevolle Schönheit, ihren herben, hochmütigen, tüchtigen Menschenschlag“. Soziale und ökonomische Umbrüche wie der Übergang vom Ackerbau zur Weidewirtschaft oder die Industrialisierung des Landes bildeten den Rahmen für die Handlungsabläufe. Die realitätsnahe Schilderung verlieh ihren Arbeiten einen nicht geringen soziografischen und volkskundlichen Wert. In ihren Romanen schilderte sie immer wieder zwei sehr unterschiedliche Frauentypen: einerseits, wie etwa in „Renate Westedt“ (1915), die um Gleichberechtigung kämpfende, sich emanzipierende Frau, die öffentliche Anerkennung ihrer Arbeit fordert, dafür aber einen hohen Preis zahlt oder scheitert, andererseits die sich liebevoll für ihre Angehörigen aufopfernde Frau, die aber selbst immer wieder von schweren Schicksalsschlägen getroffen wird. „Beide Frauentypen werden nicht wirklich glücklich, ein Schicksal, das der gesellschaftlichen Realität jener Zeit wohl sehr nahe kommen dürfte“, analysierte der Soziologe Arno Bammé (* 1944).
Thusnelda Kühl starb an den Folgen einer Operation im Krankenhaus. In der Ortsmitte von Oldenswort steht seit 1992 ein Gedenkstein für die „Dichterin der Marschen“, im Ausstellungsraum des „Treffpunkt Oldenswort“ werden Erinnerungsstücke und Werke gezeigt.
Bammé 2004, Kühl 1999, 2000, 2006.