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Nordfrieslandlexikon
Kirchen

Kirchen (fer.: sarken; frasch: schörke; sölr.: Sērker; wied.: schörke) Mit großer Wahrscheinlichkeit besorgten angelsächsische Bettelmönche um 1100 die Christianisierung der friesischen Utlande. Ihr Standort könnte Sylt gewesen sein, denn 1141 erhielt das Sankt Knut-Kloster zu Odense Einkünfte von der Insel.

Die ältesten Kirchengründungen Nordfrieslands lassen sich in die Zeit um 1100 datieren, so etwa Sankt Magnus in Tating in Eiderstedt. Die ältesten Kirchenbauten, die bis heute erhalten sind, entstanden um 1200. Beispiele sind die Kirche in Olderup oder Sankt Salvator auf Pellworm. Vom ersten Bau der Alten Kirche blieb nur die weithin sichtbare rote Turmruine stehen. Aus dieser Zeit stammen auch Sankt Johannis in Nieblum auf Föhr und Sankt Severin in Keitum auf Sylt. Die vier genannten Gotteshäuser liegen in annähernd gleichen Abständen auf einer geraden Strecke. Dies führte – zusammen mit der Überlieferung, dass man die ersten Kirchen in der Regel an der Stelle alter heidnischer Heiligtümer errichtete – zu der Theorie, es handele sich hier um eine altüberkommene „heilige Linie“.

Jede Harde Nordfrieslands erhielt eine Hauptkirche. Als untergeordnete klerikale und Verwaltungseinheiten entstanden dann die Kirchspiele mit jeweils eigenem Gotteshaus. Auf Sylt stammt die Sankt Martin-Kirche in Morsum ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert. Die Sankt Niels-Kirche in Westerland wurde 1635 erbaut. Die meisten der heutigen Sylter Kirchen entstanden aber im 20. Jahrhundert. Die drei Kirchspiele Sankt Nicolai, Sankt Johannis und Sankt Laurentii auf Föhr bildeten sich wohl im 13. Jahrhundert heraus.

Eiderstedt hat auf engstem Raum nicht weniger als 18 Kirchen. Für die Menschen war es Ehrensache, Größe und Ausstattung ihres Gotteshauses entsprechend ihrem seinerzeit bedeutenden Wohlstand zu wählen. Das Innere der Sankt Laurentius-Kirche in Tönning, deren Ursprünge ebenfalls bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, gilt als schönster Barockraum Nordfrieslands.

In Friedrichstadt und auf Nordstrand gewährte die Landesherrschaft jeweils zunächst Einwanderern aus den Niederlanden religiöse Toleranz. Hier entstanden einige nicht-lutherische Gotteshäuser, so die Kirchen der Remonstranten, Mennoniten und die jüdische Synagoge in Friedrichstadt. Sie wurde nach der Verwüstung im Novemberpogrom von 1938 nicht mehr für den Gottesdienst genutzt. Auf Nordstrand entstand nicht nur eine römisch-katholische Gemeinde, sondern auch die alt-katholische Sankt Theresien-Kirche.

Das vermutlich prächtigste Gotteshaus, das je auf dem Boden des heutigen Nordfrieslands stand, kann nicht mehr besichtigt werden. Es handelte sich um die aus dem 16. Jahrhundert stammende alte Sankt Marienkirche in Husum. Sie wurde – dem damaligen rationalistischen Zeitgeist entsprechend – im Jahre 1807 abgerissen. Es kursierte seinerzeit der Spruch: „De Tönninger Turm ist hoch und spitz, de Husumer Herren hebbt de Verstand in de Mütz.“

Dannenberg 1996, Müller 1980, Quedens 1980, Wulf 1999.