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Nordfrieslandlexikon
Friesische Literatur

Friesische Literatur Eine einheitliche nordfriesische Sprache gibt es nicht, und daher besteht auch nicht die nordfriesische Literatur. Es existiert eine friesischsprachige Literatur für die Insel Sylt, eine für Helgoland, eine für Föhr und Amrum sowie eine für das nordfriesische Festland. Die Identifikation richtete sich auf die nächste Umgebung. Dies hatte Vor- und Nachteile zugleich. Die Kleinheit des Gebiets förderte eine besonders starke Eigenverantwortlichkeit. Viele fühlten sich, als eine Bedrohung der eigenen Sprache wahrgenommen wurde, für deren Fortbestand geradezu mitverantwortlich. Sie stellten Wörter-, Lese- und Liederbücher zusammen und versuchten es nicht selten auch mit eigenen literarischen Produkten. Ihre Arbeiten blieben aber, von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, auf das eigene kleine Dialektgebiet beschränkt. Selbst das nordfriesische Flaggenlied, Albrecht Johannsens (1888–1967) „Gölj – rüüdj – ween“, ist fast ausschließlich auf dem Festland bekannt. Auf den Inseln werden eigene Eilandshymnen gesungen. Nordfriesland hat auch keine friesischsprachige Dichterpersönlichkeit mit Ausstrahlung auf das Gesamtgebiet hervorgebracht, im Gegensatz etwa zu Westfriesland, das eine viel größere Sprachgemeinschaft umfasst und derart starke dialektale Unterschiede wie in Nordfriesland nicht kennt.

Die nordfriesische Literatur setzt – abgesehen von einzelnen Volksmärchen, Sagen und Liedern – erst relativ spät ein, in der Zeit der Romantik. Aus den beiden Jahrhunderten davor gibt es nur sehr wenige, vereinzelt stehende kleine literarische Erzeugnisse. Das älteste überlieferte schriftliche Dokument der nordfriesischen Sprache stammt aus der Zeit um 1600, als Martin Luthers (1483–1546) „Kleiner Katechismus“ in zwei nordfriesische Dialekte übertragen wurde. Mit einer Bibelübersetzung ins Nordfriesische scheint aber nicht begonnen worden zu sein, und Friesisch wurde auch nicht zur Kirchensprache Nordfrieslands. Eine lange Zeit unbekannt gebliebene Einzelleistung vollbrachte der Küster Peter Michael Clemens (1804–1870), der das Neue Testament und die Psalmen ins Sylterfriesische übersetzte. Erst im 20. Jahrhundert wurden weitere Bemühungen um „Friesisch in der Kirche“ unternommen. Im Jahre 2000 erschien ein umfassendes nordfriesisches Gesangbuch.

Friesische Literatur wurde in einer mehrsprachigen Gesellschaft verfasst, in der der Bereich der Schriftlichkeit dem Hochdeutschen zugeordnet war. Da in den Schulen lange Zeit die friesische Sprache nur selten berücksichtigt wurde, blieben die meisten Nordfriesen Analphabeten in ihrer eigenen Sprache, was die literarische Produktion nachhaltig erschwerte. Private Aufzeichnungen – Briefe, Glückwunschkarten, Todesanzeigen, Tagebücher – wurden so gut wie immer auf Hochdeutsch abgefasst.

Das Beispiel der sylterfriesischen Übertragung des Neuen Testaments durch Peter Michael Clemens zeigt ein besonderes Problem nordfriesischer Sprachpflege und nordfriesischer Literatur: eine mangelhafte Überlieferung und Kontinuität. Der Text wurde nämlich nicht veröffentlicht und erst in den 1950er-Jahren wieder entdeckt. Ähnlich erging es der Arbeit des ersten nordfriesischen Wörterbuchschreibers, des Kaufmanns Boy Jacobsen (1697–1762). Auch viele literarische Texte sind nicht gedruckt worden, und die befruchtende Wirkung, die davon auf andere hätte ausgehen können, blieb somit häufig aus.

Als erstes gedrucktes Buch in nordfriesischer Sprache überhaupt kam im Jahre 1809 in Flensburg die Komödie „Di Gidtshals, of di Söl’ring Pidersdei“ heraus. Der Seemann und spätere Küster Jap Peter Hansen (1767–1855) hatte sie als ganz junger Mann auf seinen Seereisen verfasst und dafür als Autodidakt eine eigene Orthografie entwickelt, deren Grundzüge zum Teil bis in die Gegenwart hineinwirken. Sein Lustspiel um den wohlhabenden, aber geizigen Bauern Pir’rer Madtsen in Keitum zeigt durchaus eine Verbindung mit der Weltliteratur, ist sie doch beeinflusst von Werken Molières und Holbergs. Die Insel Sylt lag zwar fern aller kulturellen Zentren, stand aber über die weit gespannte Handelsseefahrt in Verbindung mit der Welt. Die Komödie bezeichnet zugleich den eigentlichen Beginn und einen Höhepunkt nordfriesischer Literatur – und sie strahlte als eines von wenigen Werken auch in andere Teile Nordfrieslands aus, indem sie in andere Dialekte übertragen wurde. „Jap Köster“ verfasste auch den ersten „Roman“ in nordfriesischer Sprache, die 1833 erschienene, knapp 50 Druckseiten umfassende Erzählung „Di lekkelk Stjüürman“. Umfangreichere Erzählungen sind später kaum einmal geschrieben worden, man beschränkte sich zumeist auf Kurzprosa. Ein wirklicher Roman als Buch ist bis heute nicht erschienen. Jap Peter Hansen wollte mit seinen Arbeiten den Wert seiner friesischen Muttersprache vor Augen führen. Ähnliche Absichten verfolgte der erste festlandsnordfriesische Dichter Bende Bendsen (1787–1875), der auch eine umfassende Sprachlehre seines Bökingharder Dialekts erarbeitete.
Wenn auch der erste Ansatz zu einer eigenständigen friesischen Bewegung in den 1840er-Jahren scheiterte, so können aus dem 19. Jahrhundert doch einige weitere beachtliche Leistungen benannt werden. Christian Peter Hansen (1803–1879) sammelte und bearbeitete Sylter Sagen und Volksmärchen und verfasste auch friesische Gedichte; vor allem aber veröffentlichte er Bücher in deutscher Sprache, erforschte wie keiner vor ihm seine Heimatinsel und wurde als „Chronist von Sylt“ weithin bekannt. Den Grundstein für eine Literatur in der Sprache der Inseln Föhr und Amrum legte der von Amrum gebürtige Lehrer Christian Johansen (1820–1871) mit mehreren Prosastücken; er veröffentlichte auch eine Wörtersammlung mit Sprachlehre. Auf Föhr sind noch heute die Dichtungen des Seemanns Simon Reinhard Bohn (1834–1879) beliebt. Im Druck herausgegeben wurden sie von dem Dozenten und späteren Germanistik-Professor in Halle Otto Bremer (1862–1936) ebenso wie die humorvollen Erzählungen des aus Nieblum gebürtigen Gärtners und Gastwirts Arfst Jens Arfsten (1812–1899). Ein Seemann war es auch, der als erster Gedichte auf Helgoländer Friesisch schrieb: der Schiffskapitän Hans Frank Heikens (1780–1862).

Für das nordfriesische Festland sind aus dem 19. Jahrhundert zu nennen neben Bende Bendsen der jung verstorbene Johannes Hansen (1854–1877) aus Fehsholm bei Bredstedt mit Gedichten in seiner Mittelgoesharder Mundart und der Küster und Lehrer Moritz Momme Nissen (1822–1903) mit zahlreichen Dichtungen in Karrharder Friesisch; Nissen schuf in jahrzehntelanger Arbeit das bis dahin umfangreichste und bedeutendste Werk zur nordfriesischen Sprachpflege überhaupt, u. a. das bis heute umfassendste gesamtnordfriesische Wörterbuch, das aber nicht gedruckt wurde, ebenso wenig wie ein umfassender Roman, wohl der erste und einzige in nordfriesischer Sprache.

Mit der „Heimatbewegung“ um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert setzte auch eine Blütezeit der nordfriesischen Literatur ein. Sie konzentrierte sich zunächst wieder auf die Insel Sylt, wo aufgrund des zunehmenden Fremdenverkehrs eine besondere Bedrohung der Sprache wahrgenommen wurde. Der Zimmermann Erich Johannsen (1862–1938) schrieb eine Vielzahl von Theaterstücken, die mit ihren Gesangseinlagen viel Anklang beim Publikum fanden. Vor allem Gedichte verfasste der Überseekaufmann Andreas Hübbe (1865–1941), der in der Altmark geboren wurde, aber auf Sylt aufwuchs. Von dem Zeitungsverleger Christian Peter Christiansen (1856–1922) stammt u. a. die Sylter Hymne „Üüs Söl’ring Lön“. Der Hamburger Schulrektor Boy Peter Möller (1843–1922) erarbeitete ein umfangreiches syltringisches Lesebuch, das 1909 im Druck erschien. Als bedeutendster Dichter in nordfriesischer Sprache gilt der Keitumer Bauer Jens Emil Mungard (1885–1940). In einem Gedicht vergleicht er sich mit einer Stranddistel:

Ströntistel es min bloom,
Ströntistel neem's uk mi.
Jü gröört üp dünemsön,
Ik üp des leewents-strön,
En proter haa wat biid!


Stranddistel ist meine Blume,
Stranddistel nennen sie auch mich.
Sie wächst auf Dünensand,
Ich auf diesem Lebens-Strand,
Und Stacheln haben wir beide!


Seine Freiheitsliebe und seine Unangepasstheit musste Mungard im Konzentrationslager Sachsenhausen mit dem Leben bezahlen. Seine weit über 700 Gedichte liegen inzwischen gedruckt vor, außerdem schuf er sechs Theaterstücke und viele Prosatexte. Gedichte und Erzählungen in großer Zahl veröffentlichte der Lehrer Hermann Schmidt (1901–1979) aus Wenningstedt-Braderup, der unermüdlich auch als Sprachpfleger, u. a. als Herausgeber der jahrzehntelang erschienenen Zeitungsbeilage „Fuar Söl’ring Lir“, tätig war. Ansprechende Gedichte stammen aus der Feder des Hamburger Postbeamten Wilhelm Siemens (1897–1984).

Den Höhepunkt der Föhring-Amringer Literatur stellt wohl das Wirken des aus Oevenum stammenden, in Husum tätigen Studienrats Lorenz Conrad Peters (1885–1949) dar. Insbesondere seine 1923 gedruckte, mit zahlreichen Gesangseinlagen angereicherte Komödie „Oome Peetje ütj Amerika“, die in der Inflationszeit spielt und die überseeischen Verbindungen der Insel aufnimmt, ist noch heute bekannt und beliebt auf Föhr. In den 1920er-Jahren und wieder nach 1945 gehörte L. C. Peters zu den treibenden Kräften in der friesischen Bewegung. Er konnte Lieder von mitreißendem Schwung dichten, aber auch leise Töne anschlagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war vor allem Reinhard Arfsten (1897–1971) literarisch und auch sprachpflegerisch tätig. Gedichte auf Amrumer Friesisch verfasste Arthur Kruse (1893–1968), vor allem Komödien Thea Andresen (1916–2001).

Auf Helgoländer Friesisch wurden auch und gerade in der Zeit, als die Helgoländer ihre durch Bomben verwüstete Insel verlassen mussten, Gedichte und Erzählungen veröffentlicht. Das während der Evakuierungszeit erschienene Mitteilungsblatt Helgoland“ brachte Texte u. a. von Mary Franz (1895–1969), Carmen Streithof geb. Singer (geb. 1923), Max Dähn (1909–1971), James Packross und James Krüss (1926–1997), der sich später als deutschsprachiger Kinderbuchautor einen Namen machte. Krüss schrieb aber auch Gedichte und einige Erzählungen in seiner helgoländischen Muttersprache und wirkte mit an einer schönen Anthologie mit Gedichten aus den drei Frieslanden, die er ins Deutsche übertrug. Die seit 1964 erscheinende Monatszeitung „Der Helgoländer enthält ebenfalls eine friesischsprachige Rubrik, in der u. a. die Texte von Maria Leitgeber (1906–1979) veröffentlicht wurden; sie schuf das mit Abstand umfangreichste helgoländische Prosawerk.

Für das nordfriesische Festland ist zu nennen der Küster und Lehrer Nis Albrecht Johannsen (1855–1935), der in seinen Erzählungen und Gedichten dem „alten Nordfriesland“ ein Denkmal setzte. Zahlreiche Bühnenstücke, Krippenspiele und Gedichte verfasste die Lehrerin Katharine Ingwersen (1879–1968) aus Deezbüll. Der Lehrer und spätere Schulrat Albrecht Johannsen (1888–1967), der sich auch große Verdienste um den friesischen Schulunterricht und die Wörterbucharbeit erwarb, schuf vor allem zahlreiche Gedichte, deren Ausdruckskraft mit dem sprachlichen Vermögen Klaus Groths verglichen worden ist. – Jens Mungard, L. C. Peters und Albrecht Johannsen können als das Dreigestirn der nordfriesischen Literatur im 20. Jahrhundert bezeichnet werden.

Die Themen der nordfriesischen Literatur blieben weitgehend auf den heimatlichen Raum beschränkt. Die Schönheit des Landes wurde besungen, die Charakterfestigkeit der Friesen gepriesen, allzu häufig ein Idyll vergangenen Lebens gemalt. Doch finden sich in der friesischsprachigen Literatur Nordfrieslands auch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kaum Anklänge an völkisches Gedankengut, wie es etwa zur selben Zeit in den Romanen des von der Insel Föhr stammenden Schriftstellers Ferdinand Zacchi (1884–1966) im Schwange war.

Nur selten wurden in der friesischsprachigen Literatur Probleme der Gegenwart aufgegriffen. Eine große Ausnahme bildet Jens Mungard, der fast als einziger angesichts seiner existenziellen Bedrängnis auch politische Gedichte verfasste und sich gegen die nationalsozialistische Ideologie stellte. Soziale Missstände seiner Heimat griff der aus der Wiedingharde stammende, in Hamburg tätige Schulrektor Peter Jensen, Verfasser eines umfangreichen Wiedingharder Wörterbuchs, auf.

In jüngster Zeit wurde durchaus Lyrik mit gesellschaftskritischem Anspruch verfasst, zum Teil beeinflusst vom Gedankengut der 1968er-Bewegung. Sieben Nordfriesen – Karen H. Ebert (* 1945), Volkert F. Faltings (* 1951), James Krüss, Albert Panten (* 1945), Erk Petersen (* 1946), Jap Ferlaat (= Julius Andreas Petersen, * 1931), Jens Quedens (* 1945) – veröffentlichten 1976 in dem ambitionierten Band „friisk fees“ moderne Gedichte, um den Beweis zu erbringen, „dass man dem Nordfriesischen nicht länger seine Literaturfähigkeit absprechen kann“. Die Anthologie sollte eine neue Reihe „Nordfriesland Literarisch“ begründen, und als zweiter Band wurden „ausführliche literarische Wertungen“ angekündigt – leider blieb es bei Band eins.

Eine neue Dimension föhringischer Erzählkunst erreichte die in Oldsum geborene Gymnasiallehrerin Ellin A. Nickelsen (* 1956) mit ihrer auf der Insel Föhr in der Gegenwart spielenden Novelle „Jonk Bradlep“ (Dunkle Hochzeit), in der sich Alltägliches und Mythisch-Mystisches vermischen. Als ein Leitmotiv diente ihr das älteste bekannte nordfriesische Lied, die aus dem Mittelalter stammende, im 19. Jahrhundert aufgezeichnete Ballade „A Bai, a Reder“, die von der Hinrichtung einer zu Unrecht des Umgangs mit einem Ritter beschuldigten jungen Frau durch den eigenen Bruder erzählt. In „Jonk Bradlep“ geht es ebenfalls um Schuld, Unschuld, Strafe, Verleumdung und die Furcht davor. Die Autorin erhielt dafür beim ersten nordfriesischen Literaturwettbewerb 1989/90 den ersten Preis. Auch mehrere ihrer Gedichte – mit deutscher Übertragung – wurden inzwischen veröffentlicht.

In festlandsfriesischer Sprache verfasste der Gymnasiallehrer Ingwer E. Nommensen (* 1955) teils humorvoll-satirische, teils hintergründige Theaterstücke, die mit viel Spielfreude von der Gruppe „Rökefloose“ auf die Bühne gebracht wurden und werden, außerdem Gedichte und Erzählungen. Für sein Stück „Kining Abel“, in dem ein Mythos der nordfriesischen Geschichte, nämlich die Ermordung des dänischen Königs Abel (1218–1252), aufgegriffen wird, erhielt er 1997 den ersten Preis im nordfriesischen Theaterwettbewerb. Die Literaturwettbewerbe, ausgeschrieben vom Nordfriisk Instituut und der Ferring Stiftung, erzielten auch quantitativ überraschende Ergebnisse. Am Wettbewerb für Kurzprosa beteiligten sich 47, an demjenigen für Theater 20 Autorinnen und Autoren. Viel Anklang finden seit 2001 auch die vom Norddeutschen Rundfunk gemeinsam mit dem Nordfriisk Instituut und von den Sparkassen unterstützten Erzählwettbewerbe „Ferteel iinjsen!“

Nordfriesische Literatur kann aufgrund der schwierigen Ausgangsbedingungen nur in geringen Auflagen erscheinen. Friesischsprachige Bücher sind eigentlich immer ein Zusatzgeschäft. Diesem Umstand tragen das Land Schleswig-Holstein und die Bundesrepublik Deutschland mit besonderen Fördermitteln Rechnung. Nicht zuletzt dadurch – und auch durch die Spendenfreudigkeit und Initiative einzelner Nordfriesen – können friesischsprachige Veröffentlichungen häufig in einer äußeren Form erscheinen, die einem Vergleich mit Publikationen in den „großen“ Sprachen standhält. Gerade für Kinderbücher ist dies bedeutsam; das Ansehen einer Sprache hängt auch mit dem äußeren Erscheinungsbild zusammen.

Friesische Literatur gibt es zum Teil auch auf Cassetten und CDs. Im Internet kann man zu einigen friesischen Websites surfen. Seit 2002 besteht die nordfriesische Literaturzeitschrift „NOOST“. Auch Nordfriesland“, die Vierteljahresschrift des Nordfriisk Instituut, Kalender und kleine Zeitschriften veröffentlichen friesische Literatur.

In zwei Jahrhunderten ist – bedenkt man die Kleinheit der Sprachgemeinschaft, die nicht viel mehr als die Bevölkerung einer Kleinstadt zählt – eine Literatur in nordfriesischer Sprache entstanden, die auch aufgrund ihres Umfangs beeindruckt. Rechnet man Kinder-, Lieder- und Lesebücher mit, so umfasst die friesischsprachige Literatur Nordfrieslands wohl einige Hundert Bücher und einige Tausend Beiträge in Zeitschriften und Zeitungen. Diese Literatur in einer der kleinsten Sprachen Europas wurde geschaffen trotz gravierender Probleme, als deren schwerwiegendste zu nennen sind:
– die kleine Sprecherzahl,
– die dialektale Aufgliederung der Sprache,
– das aus der mangelnden Berücksichtigung in der Schule resultierende Unvermögen der meisten Nordfriesen, ihre Muttersprache zu schreiben und zu lesen,
– das Fehlen einer über das 19. Jahrhundert zurückreichenden schriftsprachlichen Tradition,
– die mangelhafte Kontinuität in der Überlieferung,
– das ländliche Umfeld ohne städtische Zentren mit kultureller „Szene“,
– die relativ späte Festlegung einheitlicher Rechtschreibregeln für die nordfriesischen Hauptdialekte. Leider gelten teilweise auch heute noch unterschiedliche Prinzipien. Auf Sylt und Helgoland wird abweichend von den anderen Dialekten zumeist die Großschreibung der Substantive praktiziert; im Helgoländer Friesisch wird außerdem der ansonsten angewandte Grundsatz der Nichtverdoppelung von Konsonanten lediglich im Auslaut befolgt.

Manche dieser Sachverhalte wirk(t)en jedoch nicht selten auch motivierend auf schreibende Nordfriesen.

Århammar 1967, Frank 1995/98 u. 2001, Meyer 2001, Schmidt 1961, Steensen 1999, Wilts 2000b u. 2001b.
Karen H. Ebert


revolution

wan a hünjer
uun’t heef
am a weed
a waas
uunblafe,
as bi’t weien
nian wedwüf
uun hööw
muar tu hualen.
dö green ges
wat bi’t geesgin
uffarewd haa,
skel üüb Sal
sun an san
mä saalt bestreile
an’t soker appike
an’t eilun ruadpunktet steewel uuntji!


Revolution

wenn die Hunde
im Watt
um die Wette
die Wattflächen
anbellen,
ist bei der Trauung
keine Witwe
im Gottesdienst
mehr zu halten.
die grünen Gänse
die beim Grasen
abgefärbt haben,
müssen auf Sylt
Sand und Sonne
mit Salz bestreuen
und den Zucker aufpicken
und der Insel rot gepunktete Stiefel anziehen!


Übersetzung Antje Arfsten, Nordfriisk Instituut
friisk fees.