Futuur_Materialien_Informatives_bearb
Alle Linien
Nordfrieslandlexikon
Friedhöfe der Heimatlosen

Friedhöfe der Heimatlosen Die Bestattung von Strandleichen gehörte von jeher zu den Aufgaben des Strandvogts. Dieses Amt existierte in den Insel- und Küstengemeinden vom Mittelalter an bis zur Aufhebung der alten Strandordnung 1990. Die unbekannten Toten wurden in der Regel auf den Friedhöfen begraben, doch die Angst vor Seuchen führte zeitweise dazu, dass man sie gleich an Ort und Stelle oder im Ödland verscharrte. Auch die Aufwendungen, die die Strandvögte bis 1812 selbst zu tragen hatten, konnten Ursache für eine kostengünstige Lösung sein.

1906 stiftete Kapitän Carl Jessen aus Nebel auf Amrum auf einer Geesthöhe bei der Mühle einen Bestattungsplatz für ertrunkene Seeleute. Auf dem Friedhof der Heimatlosen sollten fortan jene an den Strand geworfenen Toten begraben werden, deren Herkunft nicht mehr festzustellen war. Seit der ersten Bestattung am 23. August 1906 fanden hier 31 „namenlose“ Tote ihre letzte Ruhe. Der zentrale Gedenkstein trägt einen Spruch des Evangelisten Lukas.

In Westerland auf Sylt ist „Heimstätte für Heimatlose“ die Bezeichnung für den Friedhof der namenlosen Opfer der See. Er wurde 1855 von dem Strandvogt Wulf Hansen Decker (1806–1881) am Südrand des Ortes angelegt. Unter 53 einfachen Holzkreuzen liegen hier die sterblichen Überreste von Personen, die zwischen 1855 und 1905 auf Sylt angespült wurden. 1907 musste der Friedhof wegen Überfüllung geschlossen werden, die wachsende Stadt Westerland verhinderte eine Ausweitung an dieser Stelle. Den Gedenkstein mit einer Inschrift des Berliner Oberhofpredigers Rudolph Kögel (1829–1896) stiftete Königin Elisabeth von Rumänien (1843–1916) nach einem Insel-Besuch 1888. In dessen Fundament befindet sich eine Urkunde folgenden Inhalts: „In Gedanken an die fernen Witwen und Waisen gewidmet von Carmen Sylva. Westerland den 17. August 1888.“ Heute liegt die von einem Friesenwall stilvoll umrahmte Begräbnisstätte an der Ecke Käpt’n-Christiansen-Straße/Elisabethstraße mitten in der Stadt.

Auf Pellworm befindet sich der Friedhof der Heimatlosen bei der Alten Kirche, auf Helgoland liegt der Friedhof der Namenlosen auf der Düne. Drei einfache Kreuze erinnern an die unbekannten Toten. Der kleine Friedhof wird heute als Heldengedenkplatz für Menschen genutzt, die im Krieg oder bei der Rettung Schiffbrüchiger ums Leben kamen.

Dahle 2010, Freiwald 1995, W. Jessen 1922, Voigt 1976, Wedemeyer 1986.