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Nordfrieslandlexikon
Deichbau

Deichbau Ungefähr im 11. Jahrhundert begannen die Menschen in Nordfriesland, sich mit Deichen gegen den spürbar zunehmenden Meereseinfluss zu schützen. Zunächst handelte es sich dabei nur um kleine Überlaufdeiche, deren Kronenhöhe mit rund einem Meter über Normal Null (NN) noch unter der Höhe gleichaltriger Warften lag. Als Baustoff wurde Klei verwendet. Die gesamte Deichoberfläche bedeckte man mit Grassoden, um den Deichkörper widerstandsfähiger gegen Wellen und Hochwasser zu machen.

Erst im späten Mittelalter ging man an die Aufgabe des Siedlungsschutzes. Unter teilweise enormen technischen Anstrengungen wurde die Höhe der Deiche mit etwa vier Meter über NN den Anforderungen angepasst. Der Beförderung des Baumaterials diente nun die Sturzkarre. Zugtiere trampelten dabei die Erde fest und trugen zur Verdichtung des Deichkörpers bei. Ab dem frühen 16. Jahrhundert errichtete man auch Stackdeiche, die dem Wasser zwar eine große Angriffsfläche boten, für die es aber dort, wo ein Deich sein Vorland verloren hatte und der Deichfuß schar lag, für etwa zwei Jahrhunderte keine Alternative gab. Selbst in den Niederlanden, wo die Deichbautechnik weiter entwickelt war, blieben die Stackdeiche bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts unverzichtbare Hilfsmittel zur Sicherung gefährdeter Deichstrecken.
Mit dem Einsatz der Schubkarre leitete 1610 bei der Bedeichung des Sieversflether Kooges der niederländische Deichbauingenieur Johann Claussen Rollwagen (1563/64–1623/24) eine neue Ära ein; die bäuerlichen Hand- und Spanndienste wurden nach und nach überflüssig, die industrielle Lohnarbeit setzte ein. Ende des 18. Jahrhunderts begann man, die Stackdeiche durch flacher auslaufende Strohdeiche abzulösen. Die schwierige Strohbeschaffung und wachsende Lohnkosten für das Besticken führten jedoch bald zum Bau von Steindeichen.

Die modernen Landesschutzdeiche bestehen aus einem Sandkern und einer Kleidecke, von deren Güte und Dicke wiederum die Widerstandsfähigkeit gegen die Wellenwirkung abhängt. Die Deichoberfläche wird durch eine Grasnarbe geschützt, durch Schafbeweidung wird sie ständig festgetreten und auf Rasendichte gehalten. So finden die natürlichen Feinde der Deiche wie Maulwürfe, Mäuse oder Kaninchen hier keinen Lebensraum. Die Sicherheit wuchs zusätzlich mit einem veränderten Profil. Während die Deiche um 1800 eine Breite von rund 40 Meter an ihrer Basis und eine Kronenhöhe von knapp sechs Meter über NN aufwiesen, hat sich die Deichbasis 1987 bei der Vordeichung der Nordstrander Bucht mit rund 100 Metern mehr als verdoppelt, die Kronenhöhe wurde auf acht Meter über NN angehoben. 2016/17 wurde ein 1.000 Meter langer Deich zwischen der Hattstedtermarsch und der Geest bei Wobbenbüll neu gebaut. Für den Kern des 8,2 Meter hohen Bauwerks benötigte man rund 70.000 Kubikmeter Sand. Etwa 100.000 Kubikmeter Klei zur Abdeckung wurden aus dem Beltringharder Koog entnommen. Der Bau kostete rund fünf Millionen Euro, wovon die EU 53 Prozent, der Bund 33 Prozent und das Land Schleswig-Holstein 14 Prozent übernahmen.

Insgesamt wurden in Nordfriesland über alle Zeiten rund 850 Deichkilometer errichtet – bei einer Fußbreite von etwa 30 bis 100 Meter ein auch international eindrucksvolles Gesamtbauwerk. 220 Kilometer beträgt die Länge der nordfriesischen Landesschutzdeiche, wovon 154 Kilometer die Festlandsküste und 66 Kilometer die Inseln schützen. 35 Kilometer Sommerdeich umgeben die Halligen und verhindern das Eindringen des täglichen Hochwassers.

Kramer 1989 u. 1992, Kühn 1992, Kühn/Panten 1989, Meier 1996.