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Nordfrieslandlexikon
Witt, Namine

Witt, Namine, geb. Paulsen * 5.6.1843 Oevenum, † 16.9.1930 Nieblum, Gastwirtin, Dichterin. Als 19-Jährige begleitete Namine ihren Vater, den Kapitän Simon Nahmen Paulsen, auf einer Fahrt nach China. Sie sollte den zur Schwermut neigenden Seefahrer umsorgen. Ausgerechnet auf dieser Reise suchte der Vater den Freitod. Ihre Gefühle gibt ein Gedicht in hochdeutscher Sprache wieder; es beginnt: „So ruh, du lieber, du guter Papa, / in ferner, in fremder Erde. / Mir wardst du entrissen, allein stand ich da. / O traurige Zeit, da mir solches geschah, / nie, nie ich sie vergessen werde.“

Der Schriftsteller Adelbert Graf Baudissin (1820–1871) traf sie bei einem Besuch auf Föhr und wunderte sich über die Weltkenntnis der jungen Frau: Ich starrte „das bildschöne Mädchen an und sagte: ‚Sie waren in China?‘“ Geschwister und Mutter wanderten nach dem Tod des Vaters in die USA aus, Namine heiratete den Gastwirt Broder Jansen Witt (1843–1923) und betrieb mit ihm bis 1897 „Witts Gasthof“ in Nieblum.

Neben der harten Arbeit schrieb sie vor allem Gedichte in friesischer, hochdeutscher und niederdeutscher Sprache. In Buchform sind sie bisher nicht erschienen. Manchmal äußerte sie sich auch zu politischen Themen. Zur deutsch-dänischen Auseinandersetzung schrieb sie: „Wi witj hir nant faan tjiisk an dansk, / wi ming üs ei diartesken. / Wi san an bliiw, det as üüs wansk, / uun guuds an iarigs – fresken.“ (Wir wissen hier nichts von deutsch und dänisch, / wir mischen uns nicht dazwischen. / Wir sind und bleiben, das ist unser Wunsch, / im Gutem und Bösen – Friesen.) Bemerkenswert ist, dass sie hier eine friesische (fresk) und nicht allein eine insular-föhringische Position (fering) einnahm. Während des Ersten Weltkriegs verurteilte sie in erstaunlich deutlicher Weise die deutsche Politik und prangerte die „Hassgesänge“ jener Jahre an. Namine Witt hatte Freude und Interesse an der Sprache. Sie trug auch 300 Sprichwörter und Redewendungen von der Insel zusammen. Carl Haeberlin (1870–1954) fand bei ihr Unterstützung beim Aufbau des Museums in Wyk. In Nieblum wurde eine Straße nach der ungewöhnlichen Frau benannt. Der Friesenratsvorsitzende Jakob Tholund (* 1928) sagte zu ihrem 50. Todestag 1980: „Sie war eine hart arbeitende, viel beschäftigte Gastwirtin in einem Dorf – aber ihr Geist blieb wach und lebendig, durchmaß Zeit und Raum, umkreiste die Themen und Probleme der eigenen Lebenswelt, aber zugleich auch die Katastrophen und Abgründe der großen Politik.“

Baudissin 1865, Tholund 1995, Zacchi 1986.


Von den Sprachen der Insel Föhr stand für Namine Witt die friesische obenan:
Wi kön jo uk noch plaattjiisk snaake
an uk jo saacht wat huuchtjiisk kwaake.
Dach wan’t üüb fering gongt, det’s wiar,
dan san wi iarst rocht salew diar.

Wir können ja auch noch Plattdeutsch reden
und sicher auch etwas Hochdeutsch quaken.
Doch wenn es auf Fering geht, das ist wahr,
dann sind wir erst recht selber da.

Sie appellierte an ihre Landsleute, nicht schläfrig zu sein, sondern sich für die eigene Sprache einzusetzen:
Lidj, wees’m ei so sliapig an so stal!
Hat’s ei, det jam ei kön, hat leit uun jamens wal.


Leute, seid nicht so verschlafen und still!
Es ist ja nicht so, dass ihr nicht könnt, es liegt an eurem Willen.