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Nordfrieslandlexikon
Westerland

Westerland (fries.: Weesterlön) Westerland ist seit 2009 ein Ortsteil der Gemeinde Sylt. Der Ort liegt am Weststrand etwa in der Mitte der nord-südlichen Ausdehnung der Insel. List im Norden befindet sich etwa 15 Kilometer, Hörnum im Süden rund 17 Kilometer entfernt. Auf einer Fläche von 1.045 Hektar leben etwa 9.000 Einwohner und 4.500 Zweitwohnungsbesitzer. 1905 erhielt Westerland die Stadtrechte, die derzeit ruhen.

Der Ort wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts von den Einwohnern des alten Kirchdorfs Eidum gegründet. Sturmfluten hatten ihr Dorf zerstört. Ihre neuen Siedlungen nannten sie zunächst Hedigen (Heideflächen). Die 1462 im Zinsbuch des Bistums Schleswig erstmals beurkundete Bezeichnung „Westerlant“ ist ein alter Tinnumer Flurname und weist darauf hin, dass sich die Eidumer im Westen des bereits bestehenden Dorfes Tinnum niedergelassen hatten. 1855 entdeckte der Landvogt Werner von Levetzau Westerland für den Fremdenverkehr. Wulf Manne Decker (1815–1876) und andere formten das alte Kirchdorf ab 1857 zu einem erfolgreichen Seebad. Seither nahm es einen rasanten Aufstieg zu einem mondänen Badeort. Rund zweieinhalb Millionen Übernachtungen in etwa 25.000 Gästebetten werden pro Jahr verzeichnet.

1857 wurde das erste Hotel, die „Dünenhalle“, eröffnet, 1859 folgten mit dem „Strandhotel“ und 1869 mit dem „Hotel Stadt Hamburg“ weitere Logierhäuser, 1880/81 baute man das erste massive Haus direkt auf die Dünen am Übergang zum Strand, die 1919 abgerissene Villa Baur-Breitenfeld. Weitere Häuser aus dem 19. Jahrhundert sind z. B. das „Hotel Royal“ und die Apotheke (1892) in der Friedrichstraße. In der „Alten Post“ (1892) sind u. a. die Stadtbücherei und das Sylter Archiv untergebracht.

Elektrische Energieversorgung ab 1893 und ein Fernsprechkabel zum Festland ab 1897 steigerten die Anziehungskraft der Gemeinde erheblich. 1898 wurde das architektonisch interessante Kurhaus eingeweiht. 1903 entstand das Jugendstil-Hotel Miramar, 1908 folgte das erste Kurmittelhaus und 1912 der Flugplatz. Seit 1948 darf sich der Ort mit dem Prädikat Nordseeheilbad schmücken.

Die rund 10,5 Quadratkilometer große „Hauptstadt“ Sylts ist heute bereits von Weitem an ihren Betonhochhäusern zu erkennen. Die bekannte Silhouette entstand 1966–68 mit der Errichtung des Kurzentrums und des Appartement-Hochhauses „Metropol“. 1971 wurde das gigantische Bauprojekt „Atlantis“ nach vehementem Protest der Bevölkerung in letzter Minute gestoppt. 1993 entstand ein Gebäudekomplex mit dem Freizeitbad Sylter Welle nebst einer Saunalandschaft und dem jetzt in „Syltness-Center“ umbenannten Kurmittelhaus. Doch gibt es neben der modernen Architektur auch 30 Häuser, die unter Denkmalschutz gestellt wurden. Weitere 150 Häuser gelten als schützenswert, darunter mehrere utlandfriesische Häuser im alten Dorfkern. Der 1894–98 angelegte Friedrichshain gilt seit 2003 als Naturerlebnisraum.

Die protestantische Kirche Sankt Niels wurde 1635–37 errichtet. 1908 weihte man die von Heinrich Bomhoff (1878–1949) entworfene zweite evangelische Kirche Sankt Nicolai mit 600 Sitzplätzen ein. Markant ist der hoch aufragende Turm. Das bemerkenswerteste Stück der Innenausstattung ist der Taufstein. Er stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der ersten, 1300 in einer Sturmflut zerstörten Eidumer Kirche, ist aus Granit und wurde vermutlich im 12. Jahrhundert in Schleswig oder Jütland angefertigt. Über dem Altar leuchtet ein Bandfenster, das wie die übrigen Fenster und das Altarkreuz der Ahrensburger Maler und Bildhauer Siegfried Assmann (* 1925) schuf. 2001 wurde die Kirche um eine Arbeit der mecklenburgischen Künstlerin Angelika Kasching bereichert. Ihre „Tür zum Leben“, die ehemalige eisenbeschlagene Eingangstür des Westerländer Obdachlosenasyls, zeigt die Skulptur eines Engels, der sich aus der Tür entfaltet und über dem Meer auf den Betrachter zugeht.

1896–1957 stand in Westerlands Stadtmitte die katholische Herz-Jesu-Kapelle mit 160 Sitzplätzen. Als sie zu klein wurde, erbaute man 1957 die Kirche Sankt Christophorus. Namhafte Künstler, darunter der Maler Emil Wachter (1921–2012) aus Karlsruhe, gestalteten den Innenraum, die Fenster und die liturgischen Orte und Geräte. Das Gebäude musste 1997–99 komplett erneuert werden. Die neue Kirche ist eine Entwicklung des Münsteraner Architekten Dieter Baumewerd (1932–2015). Die Grundform des Raumes erinnert an einen Schiffsrumpf. In den Brennpunkten der elliptischen Form stehen Ambo (Lesepult) und Altar. In der Mitte des Raumes ist ein kreuzförmiges Taufbecken in den Boden eingelassen, das Ganzkörpertaufen ermöglicht. 101 Stufen führen zur Plattform des dreieckigen Glockenturms. Vier Glocken beherbergt der „Mast“ des Kirchenschiffs. Vor dem Gotteshaus steht die Skulptur „Maria mit dem Kinde“. Gegenüber der Kirche liegt die „Heimstätte für Heimatlose“, ein Friedhof für die namenlosen Opfer der See.

Ein Wahrzeichen der Stadt ist die 1980 von der Bildhauerin Ursula Hensel-Krüger (1925–1992) geschaffene Wilhelmine in der Wilhelmstraße. Die Symbolfiguren „Triton auf dem Hippokamen“, auch „Sturmbläser“ genannt, oder „Europa auf dem Stier“ von Ludwig Manzel (1858–1936) sind auf der Kurpromenade zu finden. Seit 2001 stehen auf dem Bahnhofsvorplatz die „Reisenden Riesen im Wind“ des Bildhauers Martin Wolke (* 1971).

Leonhardt 1980, Newig 1974 u. 1996a, Rinken 1992, Stöver 1980, Voigt 1986, Wedemeyer 1977a u. 1991a, Wedemeyer/Voigt 1980.