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Nordfrieslandlexikon
Trutz, blanke Hans

„Trutz, blanke Hans“ lauten Überschrift und Refrain eines Gedichts von Detlev von Liliencron (1844–1909). Es handelt von Rungholt, der bei der großen Sturmflut 1362 untergegangenen Warftensiedlung auf der Insel Strand. Die Beschreibungen erinnern aber eher an das Leben und Treiben im dekadenten Rom. Im Refrain „Trutz, blanke Hans“ kommt die Überheblichkeit zum Ausdruck, mit der nicht nur die Rungholter Gott und den Naturgewalten entgegengetreten sein sollen. Der Chronist Anton Heimreich (1626–1685) berichtete 1662 auch von Deichgrafen, die sich wegen der vermeintlichen Qualität ihrer Schutzwerke zu hochmütigen Äußerungen hinreißen ließen. „Trotz“ oder „trutz“ war eine Herausforderung an die Nordsee: „Versuch doch, gegen unseren Deich anzustürmen, du ärmlicher Geselle!“ Der Ausspruch wurde zu einem geflügelten Wort für Nordfriesland.

Pingel 1994.


Trutz, Blanke Hans
von Detlev von Liliencron
(Auszug)

„Im Ocean, mitten, schläft bis zur Stunde,
Ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
Die Schwanzflosse spielt nah’ Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen,
Und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz, blanke Hans.

Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
Die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier tief Atem ein,
Und peitscht die Welle und schläft wieder ein.
Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,
Viel reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, blanke Hans.



Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken,
Und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
Schwamm andern Tages der dumme Fisch.
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren.
Trutz, blanke Hans?“

v. Liliencron 2009.