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Nordfrieslandlexikon
Paulsen, Frederik

Paulsen, Frederik (Geburtsname Friedrich) * 31.7.1909 Dagebüll, † 3.6.1997 Alkersum, Pharmaunternehmer, Forscher, Mäzen. Der Sohn eines Föhrer Post-Amtmanns und Enkel eines Kapitäns wuchs mit seinen Geschwistern in Kiel auf. Sein Bruder Paul Nickels Paulsen (1903–1977) war Anwalt am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, sein Bruder Otto Paulsen (1918–1998) Arzt und Mitbegründer des Pharma-Unternehmens Ferring in Deutschland, seine Schwester Hilde Portofée (1912–1988) Ärztin und sozialdemokratische Kommunalpolitikerin in Kiel.

Paulsen zeigte schon früh Interesse an Literatur und Kunst, doch rieten seine Eltern zum Studium der Medizin, das er in Kiel, Frankfurt und Graz absolvierte. Er verfasste seine Dissertation 1933 in Kiel, wurde aber vor seinem Abschlussexamen von der Gestapo verhaftet, da er Schriften gegen das NS-Regime verteilt hatte. Nach 18-monatiger Haft floh er 1935 in die Schweiz und beendete sein Medizinstudium in Basel. Im selben Jahr siedelte er sich in Schweden an und widmete sein Leben nun schwerpunktmäßig der medizinischen und wissenschaftlichen Forschung. Er fand Anstellung am Hormon-Forschungsinstitut einer niederländischen Firma und wechselte später zu einem jungen schwedischen pharmazeutischen Unternehmen. Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelte er an der Universität Lund den Blutplasma-Ersatz Dextran, der während des Krieges in vielen Ländern häufig eingesetzt wurde. 1942 wurde er schwedischer Staatsbürger und wandelte seinen Vornamen in Frederik um.

In den 1940er-Jahren begann er mit der Erforschung der Peptidhormone, deren großes therapeutisches Potenzial ihn faszinierte. Zusammen mit seiner Forschungsassistentin Eva Frandsen, die später seine zweite Frau wurde, gelang es ihm, ACTH kommerziell zu produzieren. Er bot seine Forschungsergebnisse mehreren großen pharmazeutischen Firmen an, stieß jedoch überall auf Ablehnung. So wagte der Vater von sechs Kindern 1950 die Gründung einer eigenen Firma, der Nordiska Hormonlaboratoriet Aktiebolag, die er 1954 in Ferring umbenannte. 1961 gelang der Durchbruch zur Herstellung von synthetischen Peptiden durch die Zusammenarbeit mit einem schwedischen Wissenschaftler. Dadurch wurde Ferring weltbekannt. Weitere wirtschaftliche Erfolge brachten Medikamente zur Behandlung von Diabetes, kindlichem Bettnässen, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sowie Fruchtbarkeitsstörungen. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg zog er sich zurück und übergab die Firmenleitung seinem jüngsten Sohn Frederik Dag Arfst Paulsen (* 1950). Mit seiner Frau verbrachte er seinen Lebensabend im Haus seiner Vorfahren in Alkersum auf Föhr. 1988 gründete er die Ferring Stiftung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte Frederik Paulsen eine wichtige Rolle in der friesischen Bewegung. In einem Appell an die dänische Regierung und den Reichstag unterstützte er nordfriesische Autonomiebestrebungen und protestierte bei der britischen Regierung gegen die Bombardierung Helgolands. Im schwedischen Exil erkannte er die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Einrichtung für Nordfriesland und die Friesen. In diesem Sinne beteiligte er sich 1948 an der Gründung des Vereins Nordfriesischen Instituts. Die wesentlichen Beschlüsse zur Bildung einer festen Einrichtung wurden 1964 auf einer Jahresversammlung in Alkersum gefasst. 1970–82 wirkte er als Vorsitzender des Institutsvereins, der ihn ein Jahr später zum Ehrenmitglied ernannte. Als Erster schlug er nach 1945 wieder die Brücke zu den Friesen in den Niederlanden, wo ihm als NS-Gegner Vertrauen entgegengebracht wurde. 1956–88 gehörte er als Vertreter der „Butenfriesen“ dem Friesenrat an. Frühzeitig setzte er sich für die Zusammenarbeit der Minderheiten in Europa ein, war 1949 Gründungsmitglied der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) und wirkte viele Jahre als ihr Vizepräsident. Frederik Paulsen wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Hans-Momsen-Preis des Kreises Nordfriesland.
Auf seinem Grabstein auf dem Kirchhof von Sankt Johannis in Nieblum steht die erste Strophe des Gedichtes „Tidjstruum“ der friesischen Autorin Ellin A. Nickelsen (* 1956).

Panten 1996/97, Paulsen 2010, Tholund 1989, 1995 u. 1998a/b, Amon 1999, Nordenflycht 2008, Paulsen 2010, Steensen 2010.


Frederik Paulsen: „Es entspricht der friesischen Identität, gegen den Zeitgeist zu sein.“ Jungen Forschern gegenüber fasste er seine Erfahrung so zusammen: „Es ist oft profitabler, ohne Gedanken an eventuelle Gewinne an einer wissenschaftlichen Aufgabe zu arbeiten, als nach etwas zu suchen, das Geld bringen kann.“