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Nordfrieslandlexikon
Mungard, Jens Emil

Mungard, Jens Emil * 9.2.1885 Keitum, † 13.2.1940 KZ Sachsenhausen bei Berlin, Bauer, friesischer Dichter. Jens Mungard gilt als der herausragende Dichter in nordfriesischer Sprache. Diese Erkenntnis setzte sich aber erst lange nach seinem Tod durch. Als ältester Sohn des begeisterten Friesen Nann Mungard (1849–1935) wandte er sich früh der Welt der Bücher, der Dichtung und der Sagen zu. Schon mit drei Jahren verlor er seine Mutter; dankbar gedachte er später ihrer Schwester, die seine Stiefmutter wurde und die seinen Interessen und Neigungen mit viel Verständnis begegnete. Der übermächtige Vater förderte seine Beschäftigung mit dem Friesischen, hemmte aber wohl auch seine Entwicklung und mischte sich noch in die persönlichsten Dinge des schon erwachsenen jungen Mannes. Inspirierend wirkte das Vorbild der Westfriesen, die sich um eine einheitliche Rechtschreibung und den Ausbau der friesischen Sprache bemühten.

Schon in dem „Söl’ring Leesbok“ von Boy Peter Möller (1843–1922) und in den „Söl’ring Dechtings en Leedjis“ von Andreas Hübbe (1865–1941) erschienen erste Gedichte Jens Mungards. Viele weitere wurden in der Sylter Zeitung gedruckt, vor allem in der seit 1926 veröffentlichten, von Hermann Schmidt (1901–1979) bearbeiteten Beilage „Fuar Söl’ring Lir“. Neben seinem bedeutsamen lyrischen Werk, das 1995 durch Hans Hoeg (1917–2011) in Buchform herausgegeben wurde und das annähernd 800 Gedichte umfasst, schrieb Mungard sechs Theaterstücke sowie Prosa im Sölring, außerdem Aufsätze in deutscher Sprache, vor allem zur Heimatkunde der Insel Sylt.

Im Jahre 1910 heiratete er die Föhrerin Anna Andresen und übernahm von seinem Vater den großen Bauernhof in Keitum. Doch Mungard meisterte weder das Ehe- und Familienleben noch den Beruf. In der Sylter Gesellschaft wurde er zum Außenseiter. Seine Isolation wurde noch gefördert, als er bei der Volksabstimmung 1920 zu seinem Vater hielt, der sich für einen Anschluss an Dänemark aussprach. Im Jahre 1921 brannte sein Bauernhof ab, auch ein von ihm erworbenes Haus in Archsum ging in Flammen auf. Mungard hatte wenig Sinn für die praktischen Anforderungen des Lebens und konnte schlecht mit Geld umgehen. Er verlor den Bauernhof, es kam zur Scheidung, zur Entmündigung, zur Trennung von der Familie und schließlich 1934 auch von Sylt. In der Flensburger Gegend und zeitweise in Dänemark schlug er sich durch.

Vom nationalsozialistischen Staat erhoffte Mungard anfangs eine Förderung des Friesischen, dessen Eigenständigkeit er immer betont hatte. Doch schnell erkannte er den freiheitsfeindlichen Charakter und prangerte ihn in mehreren Gedichten an. Manche nationalsozialistischen Handlungen verspottete er. Das Friesische sei „ein Kulturkreis für sich und geht den deutschen Kulturkreis gar nichts an … Ich will für Friesland und Friesisch doch weiter nichts, als die Deutschen für sich, sei es in der Tschechei, Polen, Dänemark usw., auch wollen.“ Damit nimmt er unter den Heimatdichtern in Deutschland eine Ausnahmestellung ein. 1935 wurde er erstmals verhaftet und dann wiederholt in „Schutzhaft“ genommen. Er erhielt Schreibverbot. „Es fehlt nur noch, daß mir die Finger abgehackt werden“, schrieb er 1938. Anfang Februar 1939 wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert, wo er nach 377 Tagen den Tod der Geknechteten und Gequälten starb. 2009 wurde zu seinem Gedenken in Keitum ein Stolperstein verlegt. In der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert seit 2011 ein von der Friisk Foriining und dem Nordfriisk Instituut gestifteter Gedenkstein an den Dichter.

Århammar 1967, Friesische Gedichte 1973, Hoeg 1985 u. 1995, Schmidt 1966, Schmidt-Rodenäs 1989, Steensen 1982, 1986 u. 2010, Wilts 1985 u. 2010.

Jens Mungard:

Ströntistel es min Bloom,
Ströntistel neem’s uk mi.
Jü gröört üp Dünemsön,
Ik üp des Leewents-Strön,
En Proter haa wat biið!


Stranddistel ist meine Blume,
Stranddistel nennen sie auch mich.
Sie wächst auf Dünensand,
Ich auf diesem Lebens-Strand,
Und Stacheln haben wir beide!