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Nordfrieslandlexikon
Lornsen, Uwe Jens

Lornsen, Uwe Jens * 18.11.1793 Keitum, † 11./12.2.1838 Collonge/Bellerive am Genfer See, Beamter, politischer Schriftsteller. Wie sein von ihm bewunderter Vater, der Kapitän und Ratmann Jürgen Jens Lorensen (1759–1843), wollte auch Uwe Jens zur See fahren. Napoleonische Kriege und Kontinentalsperre (1807–1813) verhinderten dies und lenkten sein Leben in eine akademische Beamtenlaufbahn. Er nahm ein Jurastudium in Kiel auf und stand hier in Verbindung mit Niels Nikolaus Falck (1784–1850), der aus Emmerleff an der nordschleswigschen Westküste stammte und einige Zeit auf Sylt verbracht hatte. Falck, ebenfalls Kapitänssohn, interessierte Lornsen für die friesische Geschichte, die dieser als „unsere eigentliche vaterländische Geschichte“ ansah. In seiner Jenaer Studienzeit entstand die Begeisterung für die Idee deutscher Einheit und Freiheit und für anerkannte Menschenrechte. Für „Freiheit und Menschlichkeit“ wollte er etwa auf Haiti und in Griechenland kämpfen. Doch sein Vater, der ihm sein Leben lang Vorbild und Maßstab für sein Handeln blieb, verurteilte alles „Romanhafte“.

Sein scharfer Verstand führte Lornsen beruflich rasch in wichtige Ämter, 1826 war er bereits Kontorchef und Kanzleirat der höchsten Regierungsbehörde der Herzogtümer, der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Kanzlei in Kopenhagen. 1830 brach er diese Karriere ab und bewarb sich erfolgreich um seine Ernennung zum Landvogt auf Sylt; Nachfolger als Kontorchef wurde sein Freund und Landsmann Schwen Hans Jensen (1795–1855). Bewegt durch die revolutionären Ereignisse in Frankreich, Belgien und anderen Ländern, verfasste Lornsen im Sommer 1830 die Flugschrift „Über das Verfassungswerk in Schleswigholstein“. Er forderte darin u. a. eine gemeinsame Repräsentativverfassung für „Schleswigholstein“ – diese Schreibweise benutzte er, um die untrennbare Verbindung zu betonen –, die Verlegung der Regierungsbehörden von Kopenhagen in die Herzogtümer sowie einen eigenen Gerichtshof. Ihm schwebte eine Union zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark vor. Gemeinschaftlich bleiben sollten der Landesherr, das Militär und die Außenpolitik. „Nur der König und der Feind sey uns gemeinschaftlich.“ In der Aktionsbereitschaft seiner Freunde sah Lornsen sich enttäuscht, dennoch fühlte sich der dänische Gesamtstaat bald darauf zur Erfüllung einiger Reformforderungen genötigt.

Nach wenigen Tagen in der Tinnumer Landvogtei wurde er im November 1830 seines Amtes enthoben und mit einer einjährigen Festungshaft in Friedrichsort und Rendsburg belegt. Nach der Entlassung schlug er nicht eine Karriere als Jurist oder Politiker ein, sondern entschied sich für einen mehrjährigen Aufenthalt in Rio de Janeiro. Wichtigster Grund hierfür war wohl eine rätselhafte Erkrankung, die ihn niederdrückte. Er war, entgegen der Meinung auch seiner Ärzte, überzeugt, an einer übel riechenden Hautkrankheit zu leiden und die Menschen in seiner engeren Umgebung damit anzustecken. Im selbst gewählten Exil verfasste er das Buch „Die Unions-Verfassung Dänemarks und Schleswigholsteins“, das als sein politisches Vermächtnis gedacht war. Nach Europa zurückgekehrt, erfuhr er vom Selbstmord seiner unter Schwermut leidenden Schwester. Im Februar 1838 suchte er selbst den Freitod am Genfer See. Später wurde er vereinfachend und verfälschend als Märtyrer für ein deutsches Schleswig-Holstein und als nationale Symbolfigur verherrlicht. Straßennamen, Denkmäler, Romane, Schauspiele, Gedichte erinnern an ihn. Lornsen darf als ein Vordenker des neuzeitlichen Verfassungsstaates gelten.

siehe auch historische Bücher

Jensen 1998, Kunz/Steensen 2014, SHBL 1, Steensen 2009.