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Nordfrieslandlexikon
Leewer duad üüs slaaw

Leewer duad üüs slaaw (fer.), Liiwer düüdj as sloow (frasch), Lewer duar üs Slaav (sölr.), Liiwer duuid as sloow (wied.), „Lieber tot als Sklave“ gilt als ein Wahlspruch der Nordfriesen. So lautet auch der Ausspruch, mit dem in der Ballade „Pidder Lüng“ von Detlev v. Liliencron (1844–1909) ein Hörnumer Fischer den dänischen Amtmann Henning v. Pogwisch im Grünkohl erstickt. Geschichte und Hauptfigur wurden allerdings schon von dem Sylter Chronisten Christian Peter Hansen (1803–1879) erdichtet.

Die Worte „Lieber tot als unfrei“ stammen aus westfriesischer Überlieferung und beziehen sich auf den Sieg der Friesen über den Grafen Wilhelm IV. (um 1318–1345) von Holland im Jahre 1345. Im Zuge aufkeimender nationaler Strömungen wurde der Ausspruch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder entdeckt. Vor allem das Schicksal des Sylters Uwe Jens Lornsen (1793–1838) erregte weithin in Schleswig-Holstein die Gemüter der Menschen. Der Dichter Gustav Waldemar Gardthausen (1807–1872) widmete ihm 1839 „Die Ostsee, Gedicht in drei Gesängen“. Im Anhang standen einige Anmerkungen, darunter: „Die Friesen haben noch einen guten Spruch mehr: Lieber todt als Sklave!“

Den letzten Schritt hin zum „Wahlspruch aller Friesen“, wie er ihn bezeichnete, ging für den Bereich der nordfriesischen Inseln mit hoher Wahrscheinlichkeit der Amrumer Universitätsdozent Knut Jungbohn Clement (1803–1873). Auf dem Titelblatt seiner „Lebens- und Leidensgeschichte der Friesen“ stand 1845 „Lewer duad üs Slaw!“. Zur Kampfparole gegen den dänischen Alleinherrschaftsanspruch im Herzogtum Schleswig umgedeutet, erschien der Spruch erstmals 1844 auf einer beim Volksfest der Nordfriesen in Bredstedt gezeigten gold-rot-blauen Friesenfahne. In der Zeit der nationalpolitischen Auseinandersetzung war die Losung vor allem gegen Dänemark gerichtet, was sich etwa in der Zeit der Volksabstimmung 1920 zeigte. Der ursprünglich friesisches Freiheitsbewusstsein pointierende Wahlspruch wurde zur beliebigen Phrase entleert und häufig missbraucht. Selbst die nationalsozialistische SA bezog sich auf diesen Schlachtruf.

Bülck 1979, Kunz/Steensen 2014, v. Liliencron 1964, Panten 2001d.