Alt-Nordstrand (Der Strand) Die ehemalige, 22.000 Hektar große, hufeisenförmige Marschinsel war neben Eiderstedt die größte und bedeutendste Landschaft Nordfrieslands im späten Mittelalter. Sie umfasste die sogenannten Fünfharden Edoms-, Pellworm-, Beltring-, Wyriks- und Lundenbergharde mit 21 Kirchspielen und über 9.000 Einwohnern. Die Insel wurde in weitgehender Unabhängigkeit von der zentralen Obrigkeit in Schleswig-Gottorf von einem Ratmännerkollegium verwaltet. Die Oberaufsicht übte der von der Landesherrschaft eingesetzte Staller aus. 1556 erhielt der Strand den herzoglichen Auftrag, eine neue Deichordnung auszuarbeiten, und es entstand das Spadelandesrecht. Allerdings konnte dies nicht verhindern, dass die Nordstrander ihre eigenen bedrohten Außendeiche vernachlässigten – die Bewohner der Binnenköge wähnten sich in Sicherheit und dachten nicht an Nachbarschaftshilfe, die Außenköge waren infolge fortwährender Flutschäden nicht willens und wohl finanziell auch nicht mehr in der Lage zu einer ausreichenden Reparatur.
Die Überlieferung berichtet von einem schrecklichen „Fluch“, der seit 1627 auf der reichen Insel gelastet haben soll. So hätten sich die Nordstrander mitten im Dreißigjährigen Krieg einer herzoglichen Anordnung gewaltsam widersetzt, der zufolge zwei Kompanien zu ihrem Schutz gegen die kaiserlichen Truppen Tillys und Wallensteins auf dem Strand einquartiert werden sollten. Bei seiner Abreise soll Herzog Friedrich III. (1597–1659) ausgerufen haben: „Möge sie (die Insel) so tief unter das Wasser versinken, wie sie sich jetzt darüber erhebt.“
Am 11. Oktober 1634 wurde Alt-Nordstrand von einer schweren Sturmflut so stark betroffen, dass gut drei Viertel ihres Territoriums vernichtet wurden. Der Höhepunkt der Katastrophe begann gegen 2.00 Uhr, als die mangelhaft gepflegten Stackdeiche brachen und das Wasser in die Köge strömte. Die Häuser auf den Warften wurden durch die Fluten oder durch Brände größtenteils zerstört. 44 Deichbrüche kosteten über 6.000 Menschen, also rund zwei Drittel der Bevölkerung, das Leben, über 50.000 Tiere ertranken. Nur Bruchstücke Alt-Nordstrands blieben zurück.
Die neu entstandene Insel Pellworm konnte bereits in den folgenden Jahren wieder mit einem Deichschutz versehen werden, Teile Nordstrands jedoch erst mit fremder Hilfe ab 1654. Weitere Überreste sind die Hallig Nordstrandischmoor und die Hamburger Hallig.
Allemeyer 2009, Hinrichs 1991b, Kuenz 1978, Riecken 1991.
Bereits 1615 wurde Alt-Nordstrand von einer sehr schweren Sturmflut heimgesucht. Sie forderte viele Todesopfer, wie überlieferte Klagelieder zeigen. Pastor Mumme Harrsen schrieb ein fast 300 Verse umfassendes Sturmflutlied. Es wurde 1617 in Schleswig gedruckt. Dort heißt es u. a.:
Vele de unsen synt gebleven,
All in den Water so kolt,
Unde hebben gelathen ere Levendt,
Ryck und Am beyde Junck und Olt,
Idt geschach in korter yle,
Allehr de Dag anbrack,
Tho redden was nene wyle,
Alse ock in der Sintfloth geschach.
Viele der Unseren sind geblieben,
Alle in dem Wasser so kalt,
Und haben gelassen ihr Leben,
Reich und Arm. Jung und Alt,
Es geschah in kurzer Zeit (Eile),
Noch ehe der Tag anbrach,
Zur Rettung war keine Zeit (Weile),
Wie es auch in der Sintflut geschah.
Frank 1995.